Für schnelle EU-Reform

Großbritanniens Premier Tony Blair hält EU-Referendum nicht mehr für nötig und plädiert für Merkel-Fahrplan

BRÜSSEL taz ■ Tony Blair bleiben nur noch wenige Monate, um sein Bild im Geschichtsbuch mit ein paar positiven Pinselstrichen zu versehen. Offenbar will er dazu den Junigipfel der EU-Regierungschefs in Brüssel nutzen, wie er gestern in mehreren europäischen Zeitungen ankündigte. Einen Volksentscheid über einen Verfassungsvertrag der Europäischen Union halte die britische Regierung nicht mehr für notwendig, wenn „die grundlegenden Beziehungen zwischen Europa und seinen Mitgliedstaaten“ durch den neuen Vertragstext nicht verändert würden, so Blair.

Damit erhält Bundeskanzlerin Angela Merkel einflussreiche Unterstützung für ihr Vorhaben, zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft einen Zeitplan und inhaltliche Grundzüge einer Vertragsreform festzulegen. Spätestens zur Europawahl im Juni 2009 soll der Text von allen EU-Staaten ratifiziert sein. Das ist nur realisierbar, wenn die Regierungskonferenz aus Vertretern aller Mitgliedsstaaten, die den neuen Text erarbeiten muss, sofort nach dem Junigipfel zusammentritt. Bis Ende dieses Jahres müsste sie unter portugiesischer Ratspräsidentschaft ihre Arbeit abschließen. Ein einstimmiges Votum aller 27 Mitgliedsstaaten ist hierfür erforderlich.

Seit Polens Premier Jaroslaw Kaczynski bei Gesprächen in Berlin und Brüssel versicherte, sein Land wolle einer raschen Vertragsreform nicht im Weg stehen, ist nur noch Tschechiens Präsident Vaclav Klaus der Meinung, dass die EU mit dem bestehenden vertraglichen Rahmen ausreichend gut funktioniert. Polen besteht allerdings darauf, das ursprünglich im Verfassungsvertrag vorgesehene Konzept der doppelten Mehrheit zu überarbeiten. Es beinhaltet, dass mindestens 55 Prozent der EU-Staaten für eine Mehrheitsentscheidung im Rat ausreichen, wenn sie 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Polen sieht sich durch diese Regelung schlechter gestellt. Blair machte aber in dem Interview deutlich, dass er die polnischen Ansprüche nicht unterstützen wird.

Nun blickt alles nach Frankreich. Nicolas Sarkozy hat bereits angekündigt, dass er eine Minireform anstrebt, die dem Volk nicht erneut zur Abstimmung vorgelegt werden muss aber eine fast auf das Doppelte angewachsene EU wieder handlungsfähig machen kann. Gewinnt allerdings Ségolène Royal, muss sie ihr Wahlversprechen einhalten und die Franzosen erneut über die Vertragsreform abstimmen lassen. Sie möchte die Debatte über ein stärker sozial orientiertes Europa neu eröffnen.

Frankreich als Gründerstaat der EU hat deutlich mehr Gewicht als der kleine Neuling Tschechien. Deshalb wäre es dann mit Merkels und Blairs Zeitplänen wohl vorbei. Wenn es Tony Blair also darum geht, sein Geschichtsbild aufzuhübschen, muss er die Daumen drücken, dass in Frankreich die Rechte gewinnt. Allzu schwer dürfte ihm das nicht fallen, denn mit einem sozial gerechteren Europa hat New Labour ohnehin nicht viel am Hut. DANIELA WEINGÄRTNER