WENN DER FAHRER KLINGELT
: Die Stimme

Irgendwann war mir der Service unheimlich geworden

Immer, wenn ich von zu Hause aus ein Taxi rufe, wähle ich die Nummer, die auf einer Karte an meinem Kühlschrank steht. Das Unternehmen wirbt mit kostenloser Bestellung und damit, „Berlins größter Taxifunk“ zu sein. Irgendwann war mir der Service unheimlich geworden, als ich einmal artig meinen Namen und meine Adresse durchgeben wollte und der Mann am anderen Ende der Leitung mir zuvorkam: „Bollwahn, Boxhagener Straße“. Ich war baff. Als ich meine Sprache wiedergefunden hatte, fragte ich ihn, ob er denn auch wüsste, was ich anhabe. Entweder interessierte ihn das nicht oder ihm gefiel nicht, was ich trug. Jedenfalls fragte er nur, wohin die Fahrt gehen sollte.

Jetzt habe ich den „Ich weiß alles über dich“-Taxidienst wieder in Anspruch genommen. Freunde aus Madrid waren zu Besuch in der Stadt und zum Essen bei mir. Nach Brennnesselsuppe, Kaninchenleber, Blutwurstquiche und einigen Flaschen Wein wollten sie sich auf den Weg in ihr Hotel im Tiergarten machen.

Ich wählte die Nummer an meinem Kühlschrank – und es war noch unheimlicher. Dieses Mal sprach kein Mensch zu mir. Eine Stimme vom Band teilte mir mit, dass ich Stammkunde sei und dass in drei Minuten ein Wagen da wäre. Keine Frage nach dem Wann oder dem Wohin. Ich fragte mich irritiert, was wäre, wenn das Taxi für den nächsten Tag gewesen wäre.

Wir standen noch einige Minuten im Flur und rätselten darüber, ob wirklich ein Wagen unterwegs sei. Die angekündigten drei Minuten waren längst verstrichen. Kaum hatten sich die Spanier verabschiedet und liefen die Treppe hinunter, klingelte es. „Hier ist der Fahrer“, schnarrte eine ungeduldige Männerstimme durch die Gegensprechanlage. Er fragte weder nach der Brennnesselsuppe noch nach der Kaninchenleber oder der Blutwurstquiche. Es hätte mich aber nicht gewundert. BARBARA BOLLWAHN