Stoiber legt sein Testament vor

421 Seiten lang und 1,038 Kilogramm schwer ist das politische Vermächtnis. Ein Werk, das seinem Nachfolger nur wenig Raum zur Politikgestaltung im Freistaat lässt

MÜNCHEN taz ■ Nein, bescheiden ist Edmund Stoiber nicht. Am letzten September-Wochenende wird der Bayernkönig zugunsten des derzeitigen Innenministers Günther Beckstein abtreten, aber sein politisches Vermächtnis hat er bereits gestern vorgelegt oder vielmehr vorlegen lassen. 421 Seiten und 1,038 Kilogramm ist es schwer, geschrieben von den „besten Köpfen Bayerns“ und getitelt „Zukunft Bayern 2020“. Es ist ein Werk, das politisch schwer wiegt: Netto 6 bis 8 Milliarden Euro soll der Freistaat ab 2008 in den folgenden 12 Jahren investieren – zusätzlich zu den Standardausgaben und ohne Rücksicht auf die Pläne von Stoibers Nachfolger.

Erhoffter Effekt: Bayern soll weiter vorn bleiben in möglichst allen Rankings und vor allem soll durch das staatliche Ankurbeln das bayerische Wirtschaftswachstum einen halben Prozentpunkt über dem Bundesdurchschnitt liegen.

Unter anderem soll bis zum Jahr 2020 investiert werden in 37.000 neue Kitaplätze und 38.000 neue Studienplätze und die Ganztagsschule zur Regelschule werden. Weiterer Vorschlag der 27-köpfigen Expertenrunde: das Aufstocken der staatlichen Forschungsausgaben von derzeit 3,0 Prozent auf 3,6 Prozent, der Aufbau eines Hochschulpatentsystem und eines Höchstleistungsrechenzentrums sowie Verbesserungen beim Schienennetz.

Stoiber machte gestern im Beisein der illustren Expertenrunde – darunter sein halbes Kabinett, der FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß, der ehemalige McKinsey-Europa-Chef Herbert Henzler oder der Münchner-Uni-Chef Bernd Huber – deutlich, dass er die Ideen umsetzen will. „Das Gutachten ist eine hervorragende Grundlage!“ Richtig schlecht gelaunt beim Durchblättern des Programms dürfte dagegen Günter Beckstein sein, Ministerpräsident in spe.

Für den Sommer, wenige Wochen vor der Amtsübergabe, hat sein Vorgänger Stoiber nochmals eine Regierungserklärung angekündigt. Darin werde er nochmals seine Prioritäten erläutern, sagte Stoiber gestern. Um gönnerhaft hinzuzufügen: „Aber natürlich nicht in allen Einzelheiten.“ Die Botschaft: Das Ausführen von Stoibers Ideen und Plänen ist der Job von Beckstein. Und damit der nicht ausbüchst mit eigenen Ideen, kündigte der wiedererstarkte Noch-Ministerpräsident an, in den Haushalt 2008 eine zusätzliche Investitionsmilliarde einzustellen. Um dann mit Blick auf Beckstein nochmals nachzulegen: „Wir haben keine Thronfolge. Wir haben keinen Politikwechsel. Wir haben nur einen Personenwechsel.“ MAX HÄGLER