Leugnen von Völkermorden wird strafbar

EU-Rahmenbeschluss will Rassismus europaweit stoppen. Sechs Jahre lang hatten die Mitgliedstaaten um Einigung gerungen. Baltische Staaten versuchten ergebnislos, auch die Verharmlosung von Kommunismus-Verbrechen unter Strafe zu stellen

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Deutschland muss binnen zwei Jahren die Leugnung und Verharmlosung von Völkermorden unter Strafe stellen. Das ist die Folge des EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, den der EU-Ministerrat am Donnerstagnachmittag beschloss. Dieser Rahmenbeschluss soll dafür sorgen, dass rassistische und geschichtsklitternde Hetze EU-weit bestraft wird. Für (insbesondere rechte) Hetzer soll es keine liberalen Rückzugsorte mehr geben. Zugleich soll ein europäischer Wertekonsens ausgedrückt werden. Über den Beschluss wurde sechs Jahre lang verhandelt.

Konkret werden die EU-Staaten verpflichtet, zwei Deliktsgruppen unter Strafe zu stellen: Die Aufstachelung zu rassistischem, religiösem oder ethnischem Hass sowie die Leugnung, Billigung oder grobe Verharmlosung von Völkermorden, Kriegs- und Menschheitsverbrechen, die aus rassistischen, religiösen oder ethnischen Gründen begangen wurden. Die Verwendung von NS-Zeichen, etwa von Hakenkreuzen, muss nicht EU-weit bestraft werden, obwohl die Minister dies diskutiert hatten.

Umstritten waren vor allem die strafrechtlichen Eingriffe in historische Debatten. So ist selbst die Leugnung des Holocausts in den meisten Staaten noch eine zulässige Meinungsäußerung. Verboten ist sie bislang in neun Staaten. Die Verharmlosung anderer Völkermorde, wie im bosnischen Srebrenica, ist bisher nicht einmal im zensurfreudigen Deutschland strafbar. Justizministerin Zypries hat einen Gesetzentwurf 2005 nach heftiger Kritik der Opposition zurückgezogen. Jetzt kommt das Projekt über den Umweg EU.

Um Einstimmigkeit unter den 27 Justizministern zu erzielen, waren zahlreiche Ausnahmeklauseln erforderlich. So können Staaten sich darauf beschränken, nur Taten zu bestrafen, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören oder eine Drohung, Beschimpfung oder Beleidigung darstellen. Die Geschichtsklitterung in kleiner Stammtischrunde bliebe dann straffrei. Auch in Deutschland ist die Holocaust-Leugnung bisher nur verboten, wenn sie den öffentlichen Frieden stören könnte, wird aber dennoch streng verfolgt.

Sieben Staaten haben noch einen Parlamentsvorbehalt eingelegt, das heißt, die nationalen Parlamente müssen noch zustimmen. Am wackligsten ist das „Ja“ des litauischen Parlaments. Bis zuletzt hatten die baltischen Staaten dafür gestritten, auch die Verharmlosung von Verbrechen der kommunistischen Diktaturen unter Strafe zu stellen. Die Mehrheit der Justizminister lehnte dies ab, weil derartige Bestimmungen nicht in einen Rahmenbeschluss gegen Rassismus passen. Vermutlich will man auch außenpolitische Konflikte mit Russland vermeiden.