„Kinder, die bleiben, müssen wir ausbilden“

EINWANDERUNG Der Marzahn-Hellersdorfer Bildungsstadtrat Stefan Komoß (SPD) will die Schulpflicht auch für Flüchtlingskinder ohne sicheren Aufenthalt. Sie helfe den Schulen und nütze der ganzen Gesellschaft

■ 46, ist gelernter Historiker. Seit 2007 ist der SPDler Stadtrat in Marzahn-Hellersdorf für Bildung, Sport und Finanzen.

taz: Herr Komoß, auf Antrag Ihres Bezirks hat der Rat der Bezirksbürgermeister den Senat aufgefordert, besondere Maßnahmen für SchülerInnen ohne Deutschkenntnisse zu ergreifen. Warum brauchen Sie das? Schüler nicht deutscher Herkunft sind in Marzahn-Hellersdorf eher eine kleine Gruppe.

Stefan Komoß: Wir haben im Bezirk rund 15 Prozent SchülerInnen mit Migrationshintergrund, etwa ein Drittel davon ohne deutschen Pass. Mit denen haben wir keine besonderen Probleme. Spezielle Maßnahmen brauchen wir für Kinder, die ohne Deutschkenntnisse neu an die Schulen kommen. Das sind in unserem Bezirk insbesondere Kinder aus Flüchtlingsfamilien, in anderen Bezirken wie Neukölln auch Roma-Kinder, die aus EU-Mitgliedsländern kommen.

Sind das denn viele?

Es werden mit den wieder steigenden Asylbewerberzahlen mehr, vor allem an Schulen in der Nähe von Flüchtlingsheimen. Da haben wir plötzlich zehn, zwanzig Kinder, die kein Deutsch sprechen. Das bedarf besonderer Maßnahmen. Entsprechende Eingliederungsklassen hat der Senat 2004 leider abgeschafft, als die Asylbewerberzahlen sanken.

Wie gehen Sie bisher damit um?

Wir unterrichten sie in getrennten Kleingruppen, bis ihre Deutschkenntnisse ausreichen, sie in Regelklassen zu integrieren. Wir haben an der Peter-Pan-Grundschule in unserem Bezirk damit vor über einem Jahr begonnen. Dort sind etwa 30 Kinder in der Situation. In Gruppen von maximal zehn Schülern bekommen sie Deutschunterricht, bis sie im normalen Unterricht mitmachen können. Fächer wie Sport, Kunst und Musik haben sie von Anfang an mit den anderen zusammen. Das erleichtert ihnen den sozialen und sprachlichen Anschluss.

Woher bekommen Sie die Lehrkräfte für die Kleingruppen?

Der Senat stellt sie zur Verfügung.

Warum dann noch der Beschluss der Bürgermeister? Wir bekommen zwar Lehrer, doch es fehlt an geeignetem Personal mit den nötigen sprachlichen und interkulturellen Kenntnissen. Außerdem rechnen wir damit, dass die Zahl dieser Kinder weiter steigt. Die Bezirke erfahren oft erst von den Kindern, wenn sie an den Schulen angemeldet werden – so schnell kann man gar nicht reagieren. Besser wäre es, wir wüssten vorher, wenn uns Flüchtlinge mit Kindern zugewiesen werden. Wir fordern die Rückkehr der Eingliederungsklassen, weil sich damit die Probleme am besten steuern und lösen ließen.

Würde das nicht eine Schulpflicht für Flüchtlingskinder erfordern? Bislang haben sie in Berlin nur ein Schulbesuchsrecht.

Es ist in Berlin zwar politisch gewollt, dass auch Kinder, die keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben, die Schule besuchen. Gesetzlich geregelt ist das aber nicht. Ich bin deshalb für die Einführung einer Schulpflicht für diese Kinder. Das würde die Planung für die Schulen erleichtern. Und Kinder, die hier bleiben können, müssen wir gut ausbilden. Wir brauchen ja auch künftig Einwanderer für unseren Arbeitsmarkt.

INTERVIEW: ALKE WIERTH