CDU sagt Jein zum Mindestlohn

ARBEITNEHMER Die CDU denkt über Lohnuntergrenzen nach – doch Wirtschaftsflügel und FDP blocken ab

Die Akzeptanz für den Mindestlohn wächst in der Union, so Norbert Barthle (CDU)

AUS BERLIN EVA VÖLPEL
UND STEFAN REINECKE

In der Union zeigen sich deutliche Differenzen über die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns. Während sich die CDU-Sozialausschüsse für eine deutschlandweite Lohnuntergrenze aussprechen, hält der Wirtschaftsflügel dagegen: „Wir bleiben bei unserer Haltung: Unter bestimmten Bedingungen kann es Branchenmindestlöhne geben, aber einen flächendeckenden Mindestlohn lehnen wir ab“, sagte Josef Schlarmann, Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der Union, zur taz.

Die CDU-Sozialausschüsse in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) fordern in ihrem Leitantrag für ihre Bundestagung Ende Mai, den Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche auszudehnen. Beschäftigte würden dann 7,79 Euro Stundenlohn im Westen und 6,89 Euro im Osten erhalten. Profitieren würden davon mindestens drei Millionen Arbeitnehmer, die heute weniger als 7 Euro die Stunde verdienen.

Die CDA begreift solch einen Mindestlohn als nachrangige Maßnahme. Sie soll nur greifen, wenn keine anderen Branchenmindestlöhne vereinbart wurden, etwa über Tarifverträge oder das Arbeitnehmerentsendegesetz. Dadurch schütze man „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndrückerei und Lohndumping sowie Unternehmen vor ruinöser Konkurrenz“, so die CDA.

Schlarmann gibt der Idee jedoch keine Chance: „Es gibt dazu keine Meinungsänderung in der CDU oder in der Mittelstandsvereinigung.“ Die MIT sei grundsätzlich gegen Mindestlöhne. „Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Wir dürfen mit einem Mindestlohn den Menschen, vor allem Berufsteinsteigern, nicht den Weg in den ersten Arbeitsmarkt verbauen.“ Wirtschaftsvertretern, die sich für Branchenmindestlöhne aussprechen würden, warf Schlarmann vor, mit „doppelter Zunge“ zu sprechen: „Denen geht es nicht um sozial Schwache, sondern um den Schutz ihrer Branche vor unliebsamer Konkurrenz.“

In der Unionsfraktion waren generelle Mindestlöhne bisher kein Thema. Es gibt jedoch Überlegungen in der Fraktionsspitze, dass früher oder später ohnehin de facto alles auf eine einheitliche Lohnuntergrenze hinausläuft. Denn in neun Branchen gibt es bereits Mindestlöhne. Manche in der CDU rechnen daher damit, dass bis 2013 ein genereller Mindestlohn kommt. Auch Norbert Barthle (CDU), haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, glaubt, dass die Akzeptanz in der Union für einen allgemeinen Mindestlohn wächst. Barthle selbst ist allerdings skeptisch: „Ich bin der Meinung, dass Branchenmindestlöhne Sinn machen, aber kein flächendeckender Mindestlohn, der würde Arbeitsplätze vernichten.“

Doch selbst wenn sich die Union irgendwann zum Mindestlohn durchringen sollte – es gibt ja noch die FDP. Heinrich Kolb, Vizefraktionschef und Sozialexperte der FDP, hält vom CDA-Vorschlag nichts. Es sei nicht einzusehen, warum „ausgerechnet die Zeitarbeitsbranche den Leitlohn für die gesamte Volkswirtschaft“ vorgeben solle. Das CDA-Modell, das nur greift, wo es keinen Tarifvertrag gibt, sei eine Täuschung. Denn keine Gewerkschaft könne unterhalb des Zeitarbeiterlohns Tarifverträge abschließen. „Ein flächendeckender Mindestlohn durch die Hintertür wird es mit der FDP nicht geben“, so Kolb zu taz. Im Übrigen gelte der Koalitionsvertrag. Dort steht: „Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab.“