Genialer Rumpelfuß

Leverkusens Bernd Schneider führt sein Team zum Sieg gegen Nürnberg und begeistert sogar den Gästetrainer

LEVERKUSEN taz ■ Huldigungen der Fans lagen hinter ihm, dazu eine famose Partie mit zwei Toren, die den 2:0 (1:0)-Sieg Bayer Leverkusens gegen 1. FC Nürnberg besiegelt hatten, und nun kokettierte Bernd Schneider, „der absolute Superstar der Mannschaft“ (Sportdirektor Rudi Völler), mit seinem Alter und dem Klischee seiner mangelnden Treffsicherheit. „Auf meine alten Tage werde ich noch zum Torjäger“, grinste der 76-fache Internationale nach seinem zweiten Doppelpack der Karriere – wohl wissend, dass Beobachter wie Rudi Völler den 33-jährigen Jenenser verdächtigen, heimlich aus einem Jungbrunnen zu trinken (“der wird gar nicht älter“). Und dass er normalerweise ja genau nicht als eiskalter Vollstrecker bekannt ist, sondern als filigraner Vorbereiter. Auch Gäste-Coach Hans Meyer, der einst Carl-Zeiss Jena zu großen Erfolgen führte, würdigte mit der ihm eigenen Ironie die große Leistung des Supertechnikers aus seiner alten Heimat. „Der hat ja bei mir das Fußballspielen gelernt, das war ein richtiger Rumpelfuß“, witzelte Meyer.

Die Leistungsprofil Schneiders war freilich nicht die einzige Merkwürdigkeit. Seit dem großen Saison 2001/02, als Leverkusen Fußballeuropa in der Champions League mit einem rauschenden Kurzpass-Festival begeisterte und nur knapp den Titel verpasste, bedient der Werksklub das Klischee von den „Extremisten am Rhein“. In dieser Saison bot Bayer einen teils atemberaubenden Kombinationsfußball – um im April durch vier Niederlagen in Serie fast alles zu verspielen, so nach einer betäubenden 0.3-Pleite gegen CA Osasuna die Chance auf das UEFA-Cup-Halbfinale.

Für den Heimsieg gegen den „Club“ indes war kein spielerischer Rausch die Grundlage, das Team stürmte keineswegs wild nach vorn und vermied so den schnellen Tod durch Nürnbergs Konter. „Wir haben kaum eine Chance zugelassen“, freute sich Schneider.

Die Folgen für den zuletzt erfolgsverwöhnten Gegner waren grausam: „Das war unsere höchste Saisonniederlage, eine richtige Klatsche“, meinte ein beeindruckter Gäste-Coach Meyer, „Meister Skibbe, da können Sie sich was drauf einbilden.“ Skibbe beantwortete dieses Kompliment mit einem breiten Lächeln. Denn auch er wusste, dass sein taktischer Plan perfekt aufgegangen war. Womöglich wird ihm diese Partie für die kommenden Monate und Jahre als Blaupause dienen, wie man erfolgreich Fußball spielen kann.

Dass das Minimalziel UEFA-Cup-Teilnahme nun fast gesichert ist, da Leverkusen als Tabellenfünfter sieben Punkte Vorsprung auf Hertha BSC Berlin und Energie Cottbus besitzt und der Tabellensechste Nürnberg als Pokalfinalist schon so gut wie qualifiziert ist für den europäischen Wettbewerb, davon will das gebrannte Kind Skibbe jedoch noch nichts wissen: „Wir müssen noch in Berlin und Cottbus antreten“, warnte der Übungsleiter, um die sinuskurvigen Leistungen seines Teams wissend.

In anderer Hinsicht hat der Trainer freilich nun Planungssicherheit: Am Samstag konnte die Verpflichtung des Bochumer Stürmers Theofanis Gekas, der mit 18 Toren die Scorerliste der Bundesliga anführt, als perfekt gemeldet werden. „Ich freue mich auf einen spielstarken und torgefährlichen Mann“, sagte Skibbe. Und auch Sportdirektor Rudi Völler drückte seine Hoffnung aus, den scheidenden Andrei Voronin (zum FC Liverpool) durch den 26-jährigen Grieche adäquat ersetzen zu können. „Er ist ein klassischer Mittelstürmer, der die leichten Tore macht, die in Wirklichkeit so leicht nicht sind“, lobte Völler den Neuzugang, der einen Vierjahresvertrag erhält. Auch Schneider dürfte sich freuen über den neuen Mann mit dem großen Torinstinkt. Kann er sich doch bald wieder auf das beschränken, wofür er eigentlich zuständig ist: Das Vorbereiten der Tore.

ERIK EGGERS