Bremer Überschwang

Nach anfänglichen Schwierigkeiten liefert Werder Bremen gegen Alemannia Aachen allerbesten Tempofußball ab. Heraus kommt ein 3:1-Sieg – und Auftrieb für die Titelhoffnungen an der Weser

VON JENS FISCHER

„Miro ballert uns an die Spitze. Und unseren Frings, den kriegt Juventus Turin nicht.“ Bei Bremens Fußballsachverständigen war der Euphoriepegel hoch, und das bereits vor dem Freitagsspiel gegen Alemannia Aachen. In der Hansestadt wird nicht Optimismus im Herzen getragen, sondern Selbstbewusstsein. Schließlich ist das Werder-Team 2007 das beste, das es je gab – und soll mit der deutschen Meisterschaft belohnt werden.

Dass es so kommen wird, dafür gibt es wieder gute Gründe. Wochenlang fiel Diego als Spitze der Bremer Mittelfeldraute mit kraftvoll kapriziösen Kabinettstückchen auf – weil es einfach keine Anspielstation gab. Denn Bremen spielte ohne Sturm, also mit einem traumverloren im Abseits herumirrenden Aaron Hunt und dem traurig herumtrottenden Grübel-Klose. Und mit Hugo Almeida, der sich so kauzig mit dem Ball zu verhaspeln versteht.

Das ist jetzt vorbei: Klose trifft wieder, Hunt sprintet rechtzeitig in die Lücken, Almeida wartet auf der Auswechselbank und Markus Rosenberg schießt nicht nur Abstaubertore. So dass selbst die zunehmend katastrophaleren Offensivleistungen eines Frings zu verschmerzen sind. Werder kredenzt derzeit einen cleveren wie kurzweiligen Mix aus diszipliniert-couragiertem Tempofußball. Mit dem Wissen, mental stark zu sein. Und mit Neugier: Wie lebt Schalke wohl mit der Belastung, wenn Werder freitags einen Sieg vorlegt?

Es galt also, Druck aufzubauen. Und das ging gegen Aachen erst mal nach hinten los: Die Abwehr patzte, und das offensivstärkste Team der Liga lag gegen das defensivschwächste 0:1 hinten und agierte fortan noch angriffslustiger. Nur zu lachen gab es nichts. Chancen im Minutentakt – aber in Halbzeit eins wurde das Aachener Tor nicht ein Mal getroffen. Kaum ein Haar im Weserstadion blieb ungerauft. Pausenfazit: „Miro bringt ja nichts, und der Frings soll doch in die Betrügerliga nach Italien gehen.“

Das ist Bremer Frustschutz: Droht der Euphoriepegel gefährlich zu sinken, wird der Notschalter umgelegt. Eigentlich interessiere man sich ja gar nicht für Werder, und Schalke sei die Meisterschaft zu gönnen. Haben die da nicht noch mehr Arbeitslose als Bremen und benötigen also noch dringender ein Erfolgserlebnis? Fußball macht da weiter, wo das Alltagsleben aufhört.

Im Weserstadion setzten Bremens Kicker nach, holten auf, siegten schließlich 3:1 – dank eines Gegners, der die Abwehrarbeit avantgardistisch interpretierte und mit den Gesetzen des Chaos experimentierte. „Miro Fußballgott“, hallte es wieder durch die Stadt, „super Frings!“ Man möchte sich nicht als Meister der Herzen und Fußballästheten bejammern, sondern die Meisterschale auf dem Rathausbalkon herumschwenken. Frings äußerte die Hoffnung, „den Schalkern einen kleinen Knacks zu geben, wenn sie nicht mehr Erster sein sollten“. Genau 19 Stunden lang verdrängte Werder den Revier-Club von der Spitze.

In Gelsenkirchen agierte Schalke derweil zwar nicht souverän, präsentierte sich aber unbeirrt erfolgreich. „Die sollen nur aufpassen“, wussten da die Experten an der Weser: „Der Miro wird noch torgeiler auftreten!“ Und Frings? Der hält den Euphoriepegel trotzig oben und unterfüttert den Bremer Überschwang so: „Die Entscheidung fällt am vorletzten Spieltag.“ Dortmund werde sich gegen Schalke den Klassenerhalt sichern – „und wir ziehen vorbei“.