Die Heuschrecken sollen informieren

Bundesfinanzminister Steinbrück spürt Unterstützung für seinen Versuch, einen Verhaltenskodex für risikoreiche Investmentfonds einzuführen. Finanzminister der Eurogruppe peilen Staatshaushalte ohne Schulden bis 2010 an

VON HANNES KOCH

1.600 Milliarden Euro stecken weltweit in risikoreichen Hedgefonds. Eine gigantische Summe, die gut 70 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres entspricht. Weil die hochspekulativen Fonds, die Vizekanzler Franz Münterfering (SPD) vor zwei Jahren als Heuschrecken bezeichnet hatte, international kaum reguliert sind, bereiten sie Politikern zunehmend Sorgen. Am Wochenende diskutierte deshalb der Rat der europäischen Finanzminister (Ecofin) in Berlin über eine Selbstverpflichtung der Fonds hinsichtlich Risikomanagement, Transparenz und guter Unternehmensführung.

Gastgeber Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) liegen diese Fragen am Herzen – wenngleich sich die Durchschlagskraft seiner Argumente bislang in Grenzen hält. Trotzdem habe man „eine stärkere Unterstützung aus den anderen europäischen Staaten erhalten, als vorher zu erwarten war“, hieß es aus dem Finanzministerium. Den Begriff „Regulierung“ vermeidet Steinbrück. Er wäre schon zufrieden, wenn es bald einen so genannten Code of Conduct für die Branche der Hedgefonds gäbe. Dieser freiwillige Verhaltenskodex, den die wichtigsten der auf rund 10.000 geschätzten Fonds unterschreiben sollten, würde unter anderem Regeln für die Transparenz enthalten. Über wie viel Kapital verfügt ein Fonds, woher stammt es? Derartige Informationen sind heute oft unbekannt.

Selbst Banken, die den Fonds Kredite geben, tappen im Dunkeln – ein Umstand, aus dem nicht nur Steinbrück das Risiko weltweiter Finanzkrisen herleitet. 1998 konnte der nahezu bankrotte Hedgefonds LTCM nur mit Milliarden-Aufwand stabilisiert und die auch von der US-Börsenaufsicht SEC befürchtete Schockwelle für die Weltwirtschaft neutralisiert werden.

Wenngleich Steinbrück das Thema vorsichtig behandelt und nur langsam vorwärtszukommen scheint, sind die Widerstände gegen jegliche Einhegung der Hedgefonds groß. Weil viele der Fonds in New York und London sitzen, machen die US-amerikanische und die britische Regierung Front gegen den Versuch der Regulierung. Sie befürchten Einschränkungen, geringere Gewinne und Steuereinnahmen. Aber auch die französische Regierung war am Wochenende nicht mit allem einverstanden, was die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorschlug. Die Diskussion wird fortgesetzt beim Treffen der Ecofin-Minister am 8. Mai – der Ausgang ist offen.

Deutlichere Rückendeckung seiner Kollegen konnte Steinbrück an einem anderen Punkt verbuchen. Die Minister beschlossen, dass jedes Land der Euro-Zone bis zum Jahr 2010 ein strukturell ausgeglichenes gesamtstaatliches Budget anpeilen soll. Unter dem Strich dürfte dann kein Staat, der den Euro als Währung hat, neue Schulden aufnehmen. Der Sinn der Sache: Die Finanzminister wollen versuchen, den gegenwärtigen Aufschwung zu nutzen, um Vorsorge für den nächsten Abschwung zu treffen. Wenn die Schuldenaufnahme im Boom zurückgeht und alte Kredite getilgt werden, besteht in der kommenden Krise mehr Spielraum, um mit Investitionen gegenzusteuern.

Innenpolitisch ist der deutsche Finanzminister damit in einer komfortablen Situation. Wenn Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) oder andere für weitere Steuersenkungen und höhere Ausgaben plädieren, kann Steinbrück künftig auf den Beschluss der Euro-Minister für 2010 verweisen. Wenn die Taktik des Bundesfinanzministers aufgeht, wird die gegenwärtig geplante Reform der Unternehmensteuern die letzte Steuersenkung in Deutschland bis zur nächsten Bundestagswahl sein.

Die Verpflichtung, einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt bis 2010 zu erreichen, bedeutet jedoch nicht, dass der Bundeshaushalt ohne neue Schulden auskommen muss. Vielmehr soll das gesamte Staatsbudget aus Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung nicht mehr defizitär sein.