Rauchende Köpfe

Der THW Kiel konnte im Final-Hinspiel der Handball-Champions-League ein 28:28 bei SG Flensburg-Handewitt holen. Zuvor hatte der Kieler Christian Zeitz den Flensburger Torwart Jan Holpert mit einem Kopftreffer zu Boden gestreckt

Die Nummer 20 des THW Kiel, Christian Zeitz, ist schnell. Die Bälle, die er auf des Gegners Tor donnert noch schneller. Den Ball mit Links auf mehr als 120 Kilometer pro Stunde beschleunigen – kein Problem für den 25-Jährigen. Wenn der 1,86 Meter große Zeitz den Angreifern den Ball stibitzt und nach einem Spurt über das Feld im gegnerischen Tor versenkt, dröhnt es „Der Hammer, der geht so und der Hammer der geht so, so geht der Hammer und der Hammer der geht so“ aus den Lautsprechern.

Im Finalhinspiel der Champions League dröhnten am Sonntag nach 48 Minuten und 26 Sekunden in der Flensburger Campushalle Pfiffe und „Zeitz, du Arschloch“-Rufe aus den Kehlen der Fans. Zeitz hatte Flensburgs Torwart Jan Holpert ins Gesicht getroffen. Holpert lag benommen im eigenen Tor, das Gesicht rot wie glühender Stahl. Drei, vielleicht auch fünf Sekunden vergingen bis er aufsprang, auf Zeitz zuhechtete und schrie: „Ich bring dich um“, mehrmals gar, aber nicht mehr hörbar. Holperts Rufe gingen unter im Pfeifkonzert der Fans, seine Fäuste flogen ins Leere, weil Mannschaftskamerad Joachim Boldsen es schaffte, Holpert von Zeitz fernzuhalten.

„Es ist nicht das erste Mal, dass ich ausgepfiffen werde“, sagte der reumütige Zeitz nach dem Spiel. Im März 2005 hatte Zeitz Nationaltorwart Carsten Lichtlein im Bundesligaspiel gegen den TV Großwallstadt mit einem Wurf ins Gesicht niedergestreckt. „Ich hatte den Ball ergattert und nicht richtig in der Hand. Ich wusste, dass Noka mir den Kopf abreißt, wenn ich von elf Metern aus dem Stand werfe und verwerfe“, versuchte Zeitz die 49. Minute zu erklären. „Ich habe versucht, das Tor zu machen und aus Versehen ihn getroffen.“ Er habe sich entschuldigt und werde das auch noch einmal tun, wenn Holpert das zulasse. Und: Die Szene habe den Flensburgern mehr genützt als dem THW.

Die Szene in der 49. Minute, es stand zu diesem Zeitpunkt 21:23 aus Sicht der Gastgeber, spornte die Flensburger Spieler wie auch das Publikum noch einmal richtig an. Stehend verfolgten die Fans in der ausverkauften Campushalle, wie Lars Christiansen drei Mal in Folge traf und in der 53. Minute per Siebenmeter zum 24:24 ausglich. Zuvor hatte der THW Kiel das Spiel bestimmt. Nach Startschwierigkeiten (5:8, 16. Minute), hatten die Kieler zur Halbzeit mit 12:10 geführt; einen größeren Rückstand der SG hatte Torwart Dan Beutler mit zehn Paraden verhindert. Drei Minuten nach Wiederanpfiff hatte der THW Kiel gar mit vier Toren in Front gelegen (15:11). Auf den Ausgleich folgte eine erneute Führung des THW und wieder der Ausgleich. Einzig 17 Sekunden vor Schluss lag die SG Flensburg-Handewitt nach einem Siebenmetertreffer durch Lars Christiansen noch einmal in Führung (27:28). Mit der Schlusssirene versenkte Kim Andersson den Ball zum 28:28-Endstand im Flensburger Tor.

Wer den Champions-League-Pokal ab dem kommenden Sonntag für ein Jahr in der Vereinsvitrine verstauen darf, ist also offen. Auf dem Papier hat Flensburg die besseren Karten: Kiels Trainer Noka Serdarusic hat nur acht Feldspieler zur Verfügung, sein Gegenüber Kent-Harry Andersson kann aus 13 wählen. 230 Tage ohne Niederlage in eigener Halle sprechen aber für den THW Kiel. Kiels verletzter Kapitän Stefan Lövgren orakelte am Sonntag schon einmal: „Das wird genauso ein Kampf.“ CHRISTINA STEFANESCU