Augstein-Erpresser ist auch ein Mörder

1990 hatte Manfred B. Spiegel-Gründer Rudolf Augstein als Geisel genommen. Damals wusste niemand, dass er auch getötet hat. Erst jetzt, 27 Jahre nach dem gewaltsamen Tod einer Rentnerin, sitzt er dafür vor Gericht

Seinen Töchtern wird Manfred B. eines Tages viel zu erklären haben. Wie er ihnen begreiflich machen soll, was er in seinem früheren Leben tat, weiß er noch nicht. „Sag den Mädchen nur, dass ich etwas sehr Schlimmes getan habe, als ich jung war“, schrieb er seiner Lebensgefährtin im Januar aus der Untersuchungshaft. „Wenn es soweit ist, möchte ich es ihnen selber erzählen.“ Bis dahin werden noch viele Jahre vergehen. Manfred B. wird ins Gefängnis kommen – wegen eines Mordes, den er vor 27 Jahren begangen hat. Die Polizei hat ihn mittels DNA-Technik überführt, im April 1980 die 79-jährige Emilie H. in ihrem Altersheim erdrosselt zu haben. Als die Rentnerin tot war, soll er sich noch an ihrer Leiche vergangen haben.

Und das ist nur der eine Teil seiner Geschichte. Für einen anderen Teil hat er schon gebüßt. Fünf Jahre saß er hinter Gittern, weil er 1990 den Spiegel-Gründer Rudolf Augstein und dessen Frau in ihrer Villa als Geisel genommen hatte. Umgerechnet 25.000 Euro hatten er und sein Komplize erpresst. Tags darauf wurden die beiden von der Polizei geschnappt.

Seine damaligen Richter wussten nicht, dass sie mit dem Augstein-Erpresser auch einen Mörder vor sich hatten. Die Polizei hatte keinen Hinweis auf den Täter, nachdem Emilie H. damals ermordet aufgefunden worden war. Voriges Jahr hat die Polizei den Fall neu aufgerollt. Seit dem Landeskriminalamt (LKA) DNA-Technik zur Verfügung steht, werden alle Akten ungeklärter Mordfälle wieder aus dem Archiv geholt. Die Ermittler haben auch ein Handtuch untersucht, das in der Wohnung von Emilie H. sichergestellt worden war und Spermaspuren aufwies. Der Abgleich mit der Gen-Datenbank ergab den Treffer: Da Manfred B. wegen der Augstein-Erpressung im Gefängnis war, war seine DNA bei der Polizei registriert.

Manfred B. hat sich längst ein neues Leben aufgebaut. Vierfacher Vater ist er inzwischen. Mit seiner Lebensgefährtin und den Kindern lebte er in einem kleinen Dorf bei Lüneburg, bis er im November verhaftet wurde.

„Mein Mandant weiß, dass die Beweislage erdrückend ist“, räumte B.s Verteidiger ein. Gestehen will B. den Mord an Emilie H. aber nicht. Er könne sich „nicht mehr daran erinnern“, beteuert der 48-Jährige. Mit Anfang 20, will der gelernte Spritzlackierer ein Alkoholiker gewesen sein, der sich immer wieder bis zum Filmriss betrank. Er geht davon aus, auch an jenem Apriltag 1980 so betrunken gewesen zu sein, dass er nicht mehr wusste, was er tat. ELKE SPANNER