Asiaten im Alten Schlachthof

Vor wenigen Jahren wollten die Grünen eine Asiatown in Prenzlauer Berg. Die Landesregierung habe das verschlafen, kritisiert Abgeordnete Claudia Hämmerling

Einige Jahre vor Oranienburg hatte Berlin ebenfalls die Idee für ein asiatisches Stadtviertel. Die bündnisgrüne Abgeordnete Claudia Hämmerling warb zwischen 2002 und 2004 für das Projekt, den Alten Schlachthof in Prenzlauer Berg zu einer „Asiatown“ zu entwickeln. Hier sollten chinesische, vietnamesische, thailändische und andere asiatische Berliner Kunst, Kultur, Restaurants, Yogaschulen, Handwerk, Apotheken, Handelsunternehmen oder Technologiezentren in einen Viertel konzentriert anbieten, das durch asiatische Stilelemente einen eigenen Stempel bekommt. An Wohnungen wie in Oranienburg hatte Hämmerling allerdings eher am Rande gedacht.

Der Alte Schlachthof wurde Anfang der 90er-Jahre mit öffentlichen Mitteln großzügig saniert und wartete über Jahre auf einen Investor. Als 2002 Hämmerling den Vorschlag erstmals gegenüber der taz in die Diskussion warf, musste die öffentliche Hand für die denkmalgeschützte Investruine in bester Stadtlage Betriebskosten zahlen, statt Einnahmen zu erwirtschaften. Die Grünen stellten ihr Projekt auf öffentlichen Symposien vor und wurden sogar vom Vertreter Taiwans in Deutschland und einem deutsch-israelischen Projektentwickler empfangen, die interessiert waren.

Hämmerlings Projekt scheiterte, weil die Landesregierung den Faden nicht weitergesponnen hatten und sich kein Investor fand. Zudem erwiesen sich die asiatischen Communitys in Berlin als zu inhomogen, um ein gemeinsames Projekt in Angriff zu nehmen. Hongkong- und Taiwan-Chinesen kamen ebenso wenig mit den Chinesen aus der Volksrepublik an einen Tisch wie vietnamesische Bootsflüchtlinge mit den ehemaligen DDR-Vertragsarbeitern aus Vietnam oder Koreaner mit Thailändern.

In Paris oder New York, wo es Chinatowns gibt, ist das anders: Auch dort stammen die ansässigen Asiaten keinesfalls alle aus China, sondern häufig auch aus Laos, Vietnam und Kambodscha. Sie verband aber die gemeinsame Flucht aus einem sozialistischen Land und häufig auch gemeinsame ethnische Wurzeln, weil Flüchtlinge aus Indochina oft ethnische Chinesen waren. Die dortigen Chinatowns wurden allerdings nicht am Reißbrett entworfen. Sie sind seit den 80er-Jahren als Wohnbezirke asiatischer Zuwanderer aus sich heraus gewachsen und waren jahrelang Armutsviertel. Seit wenigen Jahren profitieren sie vom Wirtschaftsboom in Fernost.

Anders als von den Grünen gewollt, sind am östlichen Berliner Stadtrand in Lichtenberg und Hohenschönhausen zwischenzeitig riesige asiatische Gewerbegebiete entstanden. Hier verkaufen Großhändler aus Vietnam, China, Indien und Pakistan Billigtextilien und -schuhe aus ihren Herkunftsländern an asiatische Einzelhändler. Diese Großmärkte gehören allerdings eher zu den Schmuddelecken Berlins, touristisch attraktiv sind sie keinesfalls. In Teilen des Alten Schlachthofs haben sich inzwischen Baumärkte angesiedelt, sodass das Projekt der Grünen nicht mehr realisiert werden kann. Hämmerling ist sauer: „Die Landesregierung hat nicht nur keine Ideen. Sie verfolgt Ideen der Opposition nicht weiter und lässt sie sich von einer Kleinstadt wegnehmen.“ Auch heute gebe es Brachflächen in Berlin, die sich für so ein Projekt anböten, wenn man nur wolle, ist Hämmerling überzeugt. MARINA MAI