aus der mensa: scharfe töne von HARALD KELLER
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Erstes Thema im Kreise betagter Brummelstudenten ist immer das Essen. Kaum hat er sein Tablett abgesetzt und sich seiner unergründlichen Umhängetasche entledigt, versetzt Droll seine Brille mit einer eingeübten ruckartigen Bewegung auf die Nasenspitze, um scheeläugig nicht nur die eigenen Tellerinhalte, sondern auch die der Umsitzenden zu inspizieren. „Da haben die Köche wohl wieder ‚Räuber und Gedärm‘ gespielt“, kommentiert er mitleidlos Wabbles bayerischen Wurstteller.

Noch mehr Verachtung wird jenen zuteil, die aus Überzeugung allem Fleischlichen entsagen. „Der Salat schreit aber lautstark nach der letzten Ölung“, muss sich Babs, die man nie Babsi nennen darf, von dem ergrauten Grummler anpflaumen lassen. Auf das nachfolgende betretene Schweigen reagiert Geierschnabel mit dem Ausruf: „Betreten des Schweigens verboten“.

Schon löst sich die Starre, auch Wabble meldet sich wieder zu Wort. Er hegt nicht nur eine Vorliebe für eindeutig Zweideutiges, sondern bringt mit der unverstellten Unbekümmertheit eines Menschen vom Lande Dinge unverblümt zur Sprache, die andere nicht einmal gedanklich bewegen würden. Wenn Notthoff berichtet, dass einer seiner Arbeitskollegen winzige Handschellen am Gürtel trägt, berichtigt der Landmann trocken: „Dann sind das keine Handschellen, sondern Schwanzschellen.“

Jüngst hat Wabble entdeckt, dass Frauen automatisch hinlangen, wenn irgendwo ein Schild warnt: „Frisch gestrichen“. Die Damen protestieren umgehend, und Hanni erklärt: „Man will ja schließlich wissen, ob die Farbe noch abfärbt.“ Selbstverständlich wird sie von den Herren mit größtem Genuss auf den Widerspruch in ihrer Aussage aufmerksam gemacht und beendet das Thema mit einem kategorischen „Ihr seid blöd“.

Dieses Mal ist es Droll, der in die Stille nach dem Stuss einbricht mit der Mitteilung, er habe vor, daheim einen Schinken zu räuchern. Strunk empfiehlt lachend, Droll solle das Schweinsteil einfach in sein Wohnzimmer hängen, das ja ohnehin vom Zigarettenqualm schon völlig verräuchert sei. „Dann wird der Schinken schön gelb und kann das Nikotinpflaster ersetzen.“ Babs lässt ein gutturales „Üügk“ hören, bei ihr Ausdruck aufrichtigen Ekels. „Schinken räuchern?“, fragt sie unbestimmt. „Ist das dein Ernst?“ – „Nein, das ist mein Droll“, antwortet Hanni ungewohnt zartfühlend. Der Genannte überhört die verkappte Liebeserklärung geflissentlich und richtet seinen Spott nun wider Geierschnabel, der still mit seinem Essen beschäftigt ist. „Ich muss mich aufs Essen konzentrieren“, rechtfertigt der seine Einsilbigkeit. „Sonst werde ich vor dem Läuten nicht fertig.“ – „Man muss hier nicht aufessen“, frotzelt Strunk. „Weiß ich“, pariert Geierschnabel. „Aber das steckt nun mal so drin. Ich komme aus einfachen Verhältnissen. Wir wussten nie, wo wir das Essen für den nächsten Tag herbekommen sollten.“ Schon stichelt Droll: „Warum habt ihr’s nicht mal im nächsten Supermarkt versucht?“

Notthoff, scharfen Tönen eher abhold, greift ein und gibt das Kommando für den Nachtisch. „Alle fertig? Dann lasst uns in den Quark stechen.“

Und so geschieht es.