Neuer Bankenriese in Europa

Die britische Bank Barclays und das niederländische Kredithaus ABN Amro planen die größte Fusion der Bankengeschichte. Sie soll 67 Milliarden Euro kosten

HAMBURG taz ■ Stimmen die Aktionäre zu, gibt es bald die weltgrößte Übernahme in der Bankengeschichte. Die britische Barclays Bank und die niederländische ABN-Amro teilten gestern mit, sie hätten sich auf eine freundliche Übernahme verständigt. Der gemeinsame Konzern würde in Europa hinter der britischen HSBC die Nummer zwei werden. Der Kauf wird Barclays 67 Milliarden Euro kosten und soll weitgehend mit eigenen Aktien bezahlt werden.

Wenn der Sponsor der englischen Fußball-Premier-League tatsächlich den gewinnschwachen Konzern aus Amsterdam übernimmt, hätte die neue Großbank 50 Millionen Kunden und 220.000 Angestellte in 60 Ländern. Sie soll eine Gesellschaft nach britischem Recht werden, die Konzernzentrale aber in Amsterdam verbleiben.

Der Zusammenschluss soll helfen, jährlich 3,5 Milliarden Euro einzusparen und bis zu 24.000 Arbeitsplätze zu streichen – jeden zehnten Job. Zu dem kanalüberspringenden Deal gehört auch der Verkauf der US-Tochter von ABN, LaSalle, an die Bank of America.

In Deutschland wäre der neue Riese kraftlos. Er wildert lediglich mit seinen Barclay-Bankkarten in einer Nische im Massenmarkt und sucht Besserverdiener für seine Privatbank Delbrück Bethmann Maffei. Unmittelbare Auswirkungen sind also nicht zu erwarten.

Anders sieht es beim Monopoly aus. Der private Bankenverband hat die Grenzüberschreitung lange erwartet. Verbandschef Manfred Weber sieht nun „große europäische Player“ entstehen. Dagegen verweist der Finanzmarktexperte Jörg Huffschmid darauf, dass derartige Fusionen nicht mehr neu seien. Dazu gehöre auch die halbfeindliche Übernahme der Bayerischen Hypo-Vereinsbank durch die italienische Bank Unicredito im Jahr 2005. Huffschmid: „Der Dammbruch hat bereits vor zwei Jahren stattgefunden.“ Vor allem mittelgroße Banken wie die Commerzbank dürften in den nächsten Jahren noch fusionieren. „Aber die Hälfte wird schiefgehen.“ Eine andere Herausforderung sieht der Frankfurter Ökonom Wilhelm Hankel: Riesenbanken wie Barclays/ABN könnten die europäische Zentralbank weiter schwächen.

Die Kapitalrenditen in Deutschland sind mit 12,9 Prozent viel schwächer als in den Niederlanden (16,9) oder Britannien (26,8). Daher lassen Finanzinvestoren, Hedgefonds und Bankmultis hiesige Finanzinstitute bislang weitgehend ungeschoren. Umgekehrt hat selbst die Deutsche Bank einen zu niedrigen Börsenkurs, um über die eigenen Aktien genug Fusionskapital in der Kasse zu haben.

Auch in Holland ist das Spiel nicht zu Ende: Analysten erwarten jetzt ein Angebot der Royal Bank of Scotland für ABN-Amro. HERMANNUS PFEIFFER

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