Werbung soll die Wahrheit sagen

Neue Regeln für Reklame: Wer behauptet, seine Müsliriegel seien gesund, muss das künftig belegen

BERLIN taz ■ Das Problem beginnt schon mit dem Frühstück: „Viele essen Schokomüsli, dabei ist es reine Bombe an Zucker und Fett“, sagt Thomas Isenberg. Isenberg ist Lebensmittelexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen – und kämpft gegen Ernährungslügen. Er rät Kunden, nicht auf Werbeversprechen reinzufallen. Etwa, dass Müsli immer gut ist „für die Gesundheit“ , Nugatcreme „für die Seele“ und Joghurt „rund um die Uhr fürs Wohlbefinden“. Schon bald werde Einkaufen aber einfacher, hofft Isenberg.

Denn: Ab dem 1. Juli ändern sich europaweit die Regeln für Reklame, die sich auf die Gesundheit oder den Nährwert von Essen beziehen. Die Industrie muss ihre Sprüche mit Fakten belegen – und von Brüssel genehmigen lassen. Das soll verhindern, dass Kunden ungehemmt zu Süßem und Fettem verführt werden.

Brüssel entwickelt dafür eine Positivliste. Darauf stehen zum einen gesundheitsbezogene Angaben, die bereits belegt sind – „Kalzium ist gut für die Knochen“ etwa. Zum anderen sind „spezifische Nährwertprofile aufgeführt, also Höchstmengen an Zucker, Fett oder Salz. Über die Details – was ist zu zuckerreich oder nicht – verhandeln zurzeit noch die Experten aus Brüssel und den nationalen Mitgliedstaaten.

Lebensmittel, die die Anforderungen nicht erfüllen, dürfen jedenfalls nicht mehr als gesund beworben werden. Rolf Großklaus vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin erklärt: „Ein Brot mit Zusatz von Omega-3-Fettsäuren senkt den Cholesterinspiegel.“ Sei es aber zu salzig, wäre „eine gesundheitsbezogen Werbung nicht erlaubt.“

Die deutsche Industrie gibt sich gelassen. Alexander Antonoff von Nestlé sagt: „Wir schreiben schon heute nichts auf unsere Produkte, was wir nicht wissenschaftlich geprüft haben.“ Er ist sich sicher: „Unsere Slogans bleiben drauf.“ Auch Katja Praefke von Unilever fürchtet keine Verbote: „Wir wissen, wie gut unsere Margarine ist.“

Der Spitzenverband der Lebensmittelindustrie sieht das allerdings anders: Peter Loosen vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde warnt vor „zu viel Bürokratie“. Die Werbefreiheit werde eingeschränkt. Bisher habe es nur einen Verbotsvorbehalt gegeben. Jetzt sei „alles verboten, wenn es nicht ausdrücklich zugelassen ist“. Selbst die Aussage „Obst ist gesund“ könne nicht einfach stehen bleiben. Die Unternehmen müssten jede Reklame prüfen. Im Moment sei sogar unklar, ob „Haribo macht Kinder froh“ eine Aussage zur Gesundheit sei oder nicht.

Noch hat die Branche allerdings Zeit, neue Sprüche zu entwickeln, die sich im Kopf der Käufer festsetzen. Denn Brüssel räumt für bestehende Slogans großzügige Übergangsfristen ein – für gesundheitsbezogene Angaben drei und für alles rund um den Nährwert zwei Jahre. Verbraucherschützer Isenberg setzt indes auf schnelle Veränderung. Der Lebensmittelmarkt sei gesättigt, sagt er. Die Konzerne entwickelten derzeit vor allem ungesunde „Pseudo-Innovationen“. Er hofft, dass Käufer bald „seltener zu Junk-Food verleitet werden“. HANNA GERSMANN