Kooperation gegen die Zwischenhändler

Schmuggel und gefälschte Herkunftspapiere kosten die EU und ihre Mitgliedsländer jährlich 220 Milliarden Euro. EU-Kommissar Siim Kallas will die Zusammenarbeit mit den Produzentenländern und den Unternehmen verbessern

OLAF-Beamte sollen in die Herstellerländer entsandt werden und vor Ort arbeiten

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

„Aktion Diabolo“ war der Codename, unter dem das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Februar eine Razzia organisierte, an der alle 27 Mitgliedsstaaten der EU, mehrere asiatische Handelspartner und die Weltzollorganisation teilnahmen. Es wurden fast 135 Millionen gefälschte Markenzigaretten und mehr als eine halbe Million andere gefälschte Waren wie Armbanduhren oder Kinderspielzeug beschlagnahmt. Der Fall war spektakulär, aber nur ein winziger Erfolg im Kampf gegen Schmuggel und gefälschte Herkunftspapiere. Das soll nun anders werden. Gestern stellten EU-Kommissar Siim Kallas und OLAF ihre neue Strategie zur Betrugsbekämpfung war.

Jährlich entstehen der EU und den Mitgliedsstaaten geschätzte Schäden von über 220 Milliarden Euro durch Schmuggel, gefälschte Herkunftspapiere und Mehrwertsteuerbetrug. Kallas und OLAF wollen nun zwar weiterhin auf den Abschreckungseffekt durch großangelegte Razzien setzen. Vor allem aber suche seine Behörde die Zusammenarbeit mit den Produzentenländern und Unternehmen, sagte Ian Walton-George, Direktor der Zollermittlungsabteilung bei OLAF. Ab Oktober wird die Behörde einen Beamten dauerhaft nach Peking entsenden. Ähnliche Vereinbarungen mit Russland und der Ukraine hält Walton-George für wünschenswert.

Dass die Produzentenländer ebenfalls ein Interesse an Betrugsbekämpfung haben, ist evident: Wenn Textilien aus China auf dem Umweg über Jamaika nach Europa geleitet werden, profitiert davon nicht die Textilfabrik, sondern der Zwischenhändler. Dieser spart sich die hohen Einfuhr- und Antidumpingzölle, die für chinesische Waren gelten, und zahlt stattdessen die deutlich geringeren Einfuhrzölle für Waren aus den AKP-Staaten, also die ehemaligen europäischen Kolonien aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum. Diese niedrigen Zölle sollen eigentlich helfen, die Entwicklung in den ärmsten Ländern anzukurbeln.

Eine Erfolgsgeschichte ist aus Sicht von Walton-George auch das seit 2004 bestehende Abkommen mit dem Zigarettenproduzenten Philip Morris. Darin verpflichtet sich das Unternehmen, die Handelswege seiner Produkte lückenlos zu dokumentieren, um Zollbetrug zu verhindern. Es zahlt in jährlichen Tranchen eine Pauschalsumme an die EU als Entschädigung für in der Vergangenheit entgangene Steuereinnahmen. Werden Lieferungen von mehr als 50.000 Zigaretten beschlagnahmt, die nachweislich aus der Produktion von Philip Morris stammen, übernimmt das Unternehmen die unterschlagenen Zölle und Steuern.

Auch mit Lebensmitteln lässt sich illegal viel Geld verdienen. So entdeckte OLAF in den vergangenen Jahren Knoblauch-Lieferungen mit gefälschten Herkunftspapieren, die zu entgangenen Steuereinnahmen von 60 Millionen Euro geführt hätten. 1.200 Euro muss ein Importeur zahlen, wenn er eine Tonne Knoblauch aus China in die EU einführen will.