„Nigerias Demokratie ist trotzdem gestärkt“

Jahman Anikulapo, Publizist in Lagos, sieht das Wahlchaos gelassen: Präsident Umaru Yar’Adua wird unter strenger Beobachtung des Volkes stehen

JAHMAN ANIKULAPO ist Chefredakteur der Sonntagsausgabe der wichtigsten nigerianischen Tageszeitung Guardian mit Sitz in Lagos.

taz: Herr Anikulapo, wie geht es weiter in Nigeria nach den chaotischen Wahlen?

Jahman Anikulapo: Es steht ein großes Fragezeichen hinter diesen Wahlen. Aber es scheint jetzt einen Konsens zu geben, dass die Wahlen stattgefunden haben und Streit darüber vor Gericht ausgetragen werden muss.

Werden die Leute den Wahlsieg des PDP-Kandidaten Umaru Yar’Adua akzeptieren?

Es wird viel Protest geben, aber die Leute werden es akzeptieren. Es war immer klar, dass die PDP gewinnt. Um das zu verhindern, hätten die anderen Parteien ein Wahlbündnis schließen müssen, und das schafften sie nicht.

Was für ein Präsident wird Yar’Adua sein?

Die PDP-Bundesstaatsgouverneure haben ihn als den saubersten aus den eigenen Reihen ausgesucht. Er ist der Einzige mit einer guten Bilanz als Gouverneur, und er war früher in einer Partei aktiv, die für die Armen eintrat.

Aber er hat weniger Prestige als der bisherige Präsident Obasanjo.

Das ist egal. Es kommt darauf an, was man erreicht. Yar’Adua ist ein 54-Jähriger mit langer politischer Erfahrung. Und da er aus dem muslimischen Norden Nigerias kommt, wird er letztendlich auch diesen Landesteil mit repräsentieren. Die Spaltung zwischen Nord und Süd in Nigeria ist noch sehr virulent, und während Obasanjos Amtszeit beklagte sich der Norden immer, die Macht an den Süden verloren zu haben. Jetzt geht die Macht ein Stück in den Norden zurück.

Manche Oppositionspolitiker fordern die Annullierung und Wiederholung der Wahlen unter einer Regierung der Nationalen Einheit.

Das sind Politiker, die nicht einsehen, dass sie verloren haben. Alle Leute wussten, dass die PDP gewinnt, weil sie am meisten Geld hat. Atiku Abubakar von der Opposition hat auch viel Geld, aber der wichtigste Oppositionelle, Muhammadu Buhari, nicht. Bei seinem ersten Wahlkampfauftritt krachte die Bühne zusammen, weil er sich keine bessere leisten konnte. Er hatte nur Geld von den wenigen Gouverneuren seiner Partei ANPP im Norden. Yar’Aduas Kandidatur wurde von den PDP-Gouverneuren finanziert.

Haben diese Wahlen die demokratische Entwicklung Nigerias geschwächt?

Ich glaube nicht. Das nigerianische Volk hat bewiesen, dass es reif für Demokratie ist. Alle möglichen Leute auch aus den gebildeten Schichten haben aktiv als Kandidaten am Wahlprozess teilgenommen, auch wenn sie nicht gewinnen konnten. Es ist nicht wie im Kongo, wo viele Leute gar nichts mit Wahlen zu tun haben wollen. Dass sich bei uns so viele Leute beteiligen, stärkt die Demokratie. Früher hatten wir überhaupt keine Wahlen. Jetzt werden viel mehr Leute wachsam sein und ihre Rechte verteidigen. Yar’Adua wird unter ständiger Kritik und Beobachtung stehen.

INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON