Wenig Charisma, aber sehr integer

Es gibt einen Politiker namens Yar’Adua, den ganz viele Nigerianer kennen und lieben. Generalmajor Shehu Musa Yar’Adua war die Nummer zwei der nigerianischen Armee im Biafra-Sezessionskrieg 1967–70 unter Generalstabschef Olusegun Obasanjo und dann auch 1976–79 die Nummer zwei innerhalb des Militärregimes von Obasanjo, das die Macht freiwillig an zivile Nachfolger abgab. Nachdem die Militärs in den 90er-Jahren erneut geputscht und ein finsteres Gewaltregime errichtet hatten, wurde Yar’Adua zu lebenslanger Haft verurteilt und starb Ende 1997 im Gefängnis, als Märtyrer der Demokratiebewegung. Heute erinnert eine gemeinnützige Stiftung an das Erbe eines der wenigen integren Militärs, die Nigerias Politik je gekannt hat.

Aber nicht dieser Yar’Adua ist jetzt zum neuen Präsidenten Nigerias und Nachfolger Obasanjos gewählt worden, sondern sein jüngerer Bruder Umaru Musa Yar’Adua, der bisher in der nigerianischen Politik kaum aufgefallen ist. Als sein großer Bruder in den 70er-Jahren auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn stand, war der kleine Yar’Adua noch an der Universität im nordnigerianischen Zaria, wo er sich als marxistischer Unruhestifter einen Namen machte. 1999, nach dem Ende der Militärdiktatur, die seinen Bruder umgebracht hatte, kandidierte Yar’Adua für den Gouverneursposten seines Heimatstaates Katsina, wo seine Familie zur alten traditionellen Aristokratie gehört. Er gewann, wurde 2003 wiedergewählt, und 2006 kürte Nigerias Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei) ihn zu ihrem Präsidentschaftskandidaten und damit zum designierten Nachfolger Obasanjos.

So beherrscht die alte Freundschaft der Familien Obasanjo und Yar’Adua aus den 70er-Jahren auch die junge nigerianische Demokratie des 21. Jahrhunderts. Ansonsten gibt es wenig, was Umaru Musa Yar’Adua zum Staatschef von Afrikas bevölkerungsreichstem Land prädestiniert. Er ist weder der Öffentlichkeit bekannt noch charismatisch. Im Wahlkampf fiel er immer nur auf, wenn er krank wurde, im März geisterte sogar einen Tag lang das Gerücht herum, er sei heimlich in einem deutschen Krankenhaus gestorben.

Aber Yar’Adua gilt als relativ integer und wenig korrupt, seine sozialistische Jugend lässt manche Mitstreiter der Demokratiebewegung zudem hoffen, dass er mehr für die verelendete Bevölkerung Nigerias tun wird als sein Vorgänger. Erst aber muss er die Krise beenden, in die seine Wahl das Land gestürzt hat. D.J.