DAS DING, DAS KOMMT
: Ausgepfiffen

DIE TRILLERPFEIFE spielt nicht nur im Fußball eine Rolle. In Hamburg werden ab Montag deutsche Whistleblower in einer Ausstellung vorgestellt

Was hat ein Whistleblower ausgerechnet mit einem Schiedsrichter gemeinsam? Der Whistleblower und die Whistleblowerin ziehen in der Regel Sympathien auf sich. Der Mann, der etwa auf dem Fußballrasen mit der Pfeife das Spiel dirigiert, ist dagegen eine negativ besetzte Figur, er kann es niemandem recht machen. Dennoch: Wenn der Schiedsrichter seine Pfeife („the whistle“) in den Mund nimmt, tut er es meistens, um Regelverstöße zu ahnden. Und ein Whistleblower tut ja auch nichts anderes. Nur dass es in seinem Fall gegen die großen Vertuscher aus Politik und Wirtschaft geht – und nicht gegen Trikotzupftäter.

Auf ihre Weise ist die Trillerpfeife daher auch präsent bei der Ausstellung „Whistleblower in Deutschland“. Bei der Terminierung hatten die Organisatoren im Übrigen den richtigen Riecher. Edward Snowden, der derzeit weltberühmteste Pfeifenkopf, pardon: Whistleblower, hat gerade den „Alternativen Nobelpreis“ erhalten. Snowden muss sich bekanntlich beim Iwan verstecken, andere Whistleblower müssen zu ihrem Schutz dagegen oft genug gänzlich unsichtbar bleiben für die Öffentlichkeit.

Diese Form der Nicht-Anwesenheit wiederum ist auch nicht untypisch für Schiedsrichter. In Dietrich zur Neddens und Michael Quasthoffs Mehr-oder-weniger-Standardwerk „Pfeifen! Vom Wesen eines Fußballschiedsrichters“ heißt es entsprechend: „Trifft ihn der Ball, sagt die Regel, ist es, als wäre es nicht geschehen. So gleicht der Schiedsrichter dem heiligen Geist, ist ohne Gestalt.“ Im Fußball-Milieu gibt es dafür eine Redensart: „Der Schiedsrichter ist Luft.“

Bei zur Nedden/Quasthoff ist außerdem noch von einem „Rollenmodell“ des Schiedsrichters die Rede. Es heißt: „Ein Mann gegen den Rest der Welt. Wie Clint Eastwood („Dirty Harry“) oder Gary Cooper („High Noon“) erledigt der Referee die Schmutzarbeit, den Job, den sonst keiner machen will.“ Dieses Allein-gegen-den-Rest-der-Welt-Gefühl haben viele Whistleblower auch schon gespürt.

Die Unterschiede seien aber nicht verschwiegen. Man nehme den Begriff „verpfeifen“. Wenn ein Schiedsrichter ein Spiel verpfeift, heißt das: Er setzt seine Pfeife zu oft ein, er macht das Spiel damit „kaputt“. Der Whistleblower hingegen, der jemanden im besten Sinne „verpfeift“, will Dinge wieder heil machen.

Das gilt auch für die Veterinärmedizinerin Margrit Herbst, eine norddeutsche Pionierin in Sachen BSE-Aufklärung. Herbst, die bei der Eröffnung von „Whistleblower in Deutschland“ dabei sein wird, hat schmerzhaft büßen müssen für ihre Enthüllungen: Vor rund 20 Jahren hat sie nach einem Fernsehinterview zur Sache umgehend ihren Job als beim Kreis Segeberg angestellte Tierärztin verloren. Ein Bundesverwaltungsrichter hat 2001 sogar ein Buch über den Fall geschrieben: „Whistleblowing in Zeiten von BSE“. Als Herbst anfing, laut zu werden, war der Begriff „Whistleblowing“ hierzulande aber noch kaum verbreitet.

RENÉ MARTENS

■ Fotoausstellung „Whistleblower in Deutschland“, Mo, 29. 9. bis Di, 14. 10. im Foyer des Bezirksamtes Hamburg-Eimsbüttel. Infos: whistleblower-net.de