Auf den Sockel gestellt

SPD UND WOWEREIT

Ohne den BER hätte Wowereit weiterregiert, solange er einen Stift halten kann

Klaus Wowereit ist noch nicht mal richtig weg, da bekommt er schon legendenhafte Züge. Ob beim SPD-Parteitag oder beim Sommerfest: Beim Auftritt des Nochregierenden gibt es überbordenden Applaus. Wenn von seinen Leistungen die Rede ist, dann nur in lobenden Tönen.

So auch am Dienstag beim ersten der vier offiziellen Foren, bei dem sich die drei Bürgermeister-Kandidaten Jan Stöß, Michael Müller und Raed Saleh den SPD-Mitgliedern vorstellen. An diesem Abend reichte sogar schon die Ankündigung, dass Wowereit noch vorbeizuschauen gedenke, für Beifall. Die Begeisterung nimmt inzwischen fast groteske Züge an. Man könnte meinen, Berlin habe in Schutt und Asche gelegen, als Wowereit das Amt des Regierenden Bürgermeisters 2001 von Eberhard Diepgen (CDU) übernahm, und er allein habe die Stadt wiederaufgebaut.

Da drängt sich die Frage auf: Warum wollten ihn erst kürzlich noch so viele Menschen loswerden, auch innerhalb der SPD?

Ja natürlich: Wowereit ist Aufsichtsratschef bei der Flughafengesellschaft. Alles, was beim BER schieflief, blieb an ihm hängen. An ihm – und nicht an den gleichermaßen über Planungs- und Baumissstände informierten Landes- und Bundespolitikern aus Brandenburg oder der Bundesregierung. Wowereit stürzte in den Umfragen ab. Mehr und mehr lässt sich nun erahnen: Ohne die BER-Pannen hätte Wowereit in Berlin weiterregiert, solange er noch einen Stift halten und Hände schütteln kann.

Es ist anders gekommen. Die aktuelle Wowereit-Begeisterung hat nun allerdings Folgen für die Bewerber um seine Nachfolge. Sie können sich schwerlich vom Umschwärmten absetzen und dadurch profilieren. Raed Saleh und Jan Stöß mühen sich zu vermitteln, warum denn bei so viel Lob für den Nochregierenden ein Neuanfang nötig sein soll – und warum die 17.200 Berliner SPD-Mitglieder nicht stattdessen den Nachlassverwalter des legendären Wowereit, Michael Müller, wählen sollten. STEFAN ALBERTI