BOULEVARD DER BESTEN: LJUBA NAMINOVA
: Lieben lernen im Fahrstuhl

1991 im Alter von fünf Jahren verschlug es Ljuba Naminova, die damals noch Klassen hieß, mit ihrer Familie aus dem sibirischen Dorf Poltawka ins nordrhein-westfälische Büren. Im Januar dieses Jahres landete die studierte Literaturwissenschaftlerin dann bei der taz.

Eigentlich hatte Ljuba, was übersetzt so viel wie „Liebe“ bedeutet, ein Praktikum in der Kulturredaktion machen wollen. Doch dazu kam es nicht. Denn das Auslandsressort – ob der Ukraine-Krise ständig auf der Suche nach kompetenter personeller Verstärkung – meldete Begehrlichkeiten an und warb Ljuba kurzerhand ab.

In den folgenden Monaten arbeitete Ljuba wie seinerzeit Alexei Stachanow, will heißen: tägliche Übererfüllung der Norm, und das bisweilen auch an ihren freien Wochenenden. Sie verfasste Artikel zu Russland, der Ukraine und übersetzte mitunter bis zur Besinnungslosigkeit Texte freier Mitarbeiter in der Ukraine vom Russischen ins Deutsche. Nicht zuletzt ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass die taz ihren Lesern ein so breit gefächertes Angebot über die Krise in der Ukraine, die mittlerweile zu einem Krieg geworden ist, unterbreiten konnte. Die Ukraine kennt Ljuba aus eigener Anschauung kaum, dafür aber Russland umso besser. Ihren Mann Dordzhi lernte sie 2011 während eines Auslandssemesters in einem Fahrstuhl der Lomonossow-Universität in Moskau kennen. Ob der Aufzug bei diesem Zusammentreffen stecken und ergo mehr Zeit für erste Sondierungsgespräche blieb, ist nicht überliefert.

Es gibt kaum etwas, was Ljuba aus der Fassung bringt, aber manchmal passiert es doch. Und zwar immer dann, wenn ihr jemand, wegen ihres rollenden „r“ – natürlich nur mit den besten Absichten mitteilt, wie gut sie Deutsch spreche. Im nächsten Monat geht Ljuba nach Reutlingen, um sich dort ein Jahr lang an einer Reportageschule ausbilden zu lassen. Ob sie danach wieder zu taz zurückkommt?

BARBARA OERTEL