Trügerische Sanftheit

POP Regina und Günther Janssen machen seit über 20 Jahren gemeinsam Musik als Donna Regina. Im HBC präsentieren sie heute ihr elftes Album, mit einem Blick auf die Lage der Frauen

Bei den Janssens ist alles Andeutung, nicht erfüllte Erwartung oder vorenthaltenes Klischee. Statt Songstrukturen meint man atmosphärische Texturen zu hören

VON TIM CASPAR BOEHME

Nein, laute und beschwingte Musik ist eher nicht so ihr Fach. Wenn Regina und Günther Janssen von der Band Donna Regina, mit der sie heute im HBC eines ihrer wenigen Konzerte spielen, ausnahmsweise mal das Gefühl haben, ihnen sei ein richtig fröhlicher Song gelungen, dauert es nicht lange, bis sie den mittlerweile klassischen Kommentar „Das ist ja so melancholisch“ zu hören bekommen. Regina Janssen macht sich da wenig Illusionen: „Wir könnten ‚Hänschen klein‘ vertonen, das würde sich immer noch irgendwie melancholisch anhören.“

Seit über zwanzig Jahren macht das Kölner Ehepaar Janssen als Donna Regina Popmusik. Als typischen Pop kann man ihre Musik allerdings kaum bezeichnen. Neben der nachdenklichen und verhaltenen Stimmung fällt der spartanische Gebrauch des üblichen Handwerkszeugs auf. Es gibt Gitarren, Keyboards und Schlagzeug, doch all das kommt nur behutsam zum Einsatz, die Übergänge von Strophe zu Refrain sind verwischt, statt Songstrukturen meint man atmosphärische Texturen zu hören. Bei den Janssens ist alles Andeutung, nicht erfüllte Erwartung oder vorenthaltenes Klischee.

Berührung suchen

Donna Regina klingen überwiegend elektronisch, und die reduzierte Art, mit der Günther Janssen seine Instrumente in Stellung bringt, könnte einen an die bewusste Verknüpfung von Elementen aus der repetitiven Klubmusik etwa mit dem herkömmlichen Pop-Idiom denken lassen. Die Band nimmt ihre Vorgehensweise allerdings ganz anders wahr, wie Regina deutlich macht: „Wir sind keine Strategen in der Musik. Es geht wirklich immer nur um das, was uns gefällt. Und wir schmeißen einfach in letzter Zeit immer mehr raus. Ästhetik von elektronischer Musik in Popmusik unterzubringen, sollen andere machen, wir machen einfach nur, was unserer Meinung nach gut klingt und was gut dazu passt und was uns berührt.“

Auf ihrem mittlerweile elften Album haben Donna Regina tatsächlich eine ganze Menge rausgeschmissen, ohne einem vorgegebenen Plan zu folgen. Der Titel „The Decline of Female Happiness“, der zunächst einmal schwer programmatisch anmutet, kam eigentlich zufällig ins Spiel, so Regina: „Ich hatte einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung gelesen mit dem schönen Namen ‚The decline of female happiness‘. Das ist eine soziologische Studie aus den USA, die diesen Titel hat, und ich fand die Überschrift toll. Da hat man Frauen und Männer befragt und deren Glückszustand verglichen und hat festgestellt, dass sich das in den letzten 30 Jahren sehr auseinander bewegt hat. Dass Frauen laut der Studie unglücklicher sind als Männer.“ Allerdings vermisste sie bestimmte Fragestellungen, dass Frauen zum Beispiel stärker unter dem Druck stehen, „jung und knackig“ zu sein.

Von diesen Dingen erzählt der Titelsong. Die Musik dazu klingt zart, fast unschuldig, was durch Reginas diskret hellen Gesang, in dem Sentimentalität oder Theatralik so gar nichts zu suchen haben, noch unterstrichen wird. Ihre Botschaften kann man bei dem Setting leicht überhören, was sie durchaus als subversiv versteht. „Ich finde, in gewisser Weise haben wir schon bestimmte Tabus gebrochen. Übers Älterwerden singen, in der Popmusik hat das eigentlich nichts verloren. Dass das Sachen sind, die man im Grunde gar nicht machen darf, kriegen viele gar nicht mit, weil wir dafür zu sanft sind.“

Keine großen Gesten

Man tut Donna Regina freilich keinen Gefallen, wenn man ihre Musik bloß als sanft versteht. Die unvermeidliche Rede von Melancholie passt zwar zu ihrer Verweigerung großer Gesten, aber in ihren Stücken schwingt immer auch eine dezente Leichtigkeit mit, ein diszipliniertes In-der-Schwebe-Halten. Diesen Zustand erreichen sie nur mit viel Geduld. Bei den Janssens wird sehr lange an den Stücken gefeilt, Entwürfe werden gemacht und wieder gelöscht, wenn sie nicht wirklich beiden gefallen. „Wir müssen das Gefühl haben, das haben wir nicht schon hundertmal gehört.“

Ökonomischen Druck beim Produzieren haben sie keinen. Günther Janssen verdient sein Geld als Radiomoderator beim Deutschlandfunk und komponiert Filmmusik, Regina arbeitet als Stewardess. Diese Unabhängigkeit, die Freiheit, sich Zeit lassen zu können, hört man jedem ihrer Stücke an. Ihre Musik mag auf den ersten Eindruck unauffällig sein, aber mit ihrem untrüglichen Gespür für die knappest mögliche Ökonomie der Mittel und ihrem gelassenen Blick nach innen und außen machen Donna Regina diskret formvollendeten Pop, den man viel zu selten auf der Bühne zu hören bekommt.

■  Donna Regina: „The Decline of Female Happiness“ (Karaoke Kalk); live: heute, 20 Uhr, HBC