schwabinger krawall: parksünder von MICHAEL SAILER
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Man muss Herrn Hammler eine Vorbelastung zugestehen, weil er im Jahr 1963 auf dem Heimweg vom Augustinergarten in die offenstehende Tür eines auf dem Gehsteig parkierten Bierlasters hineingeradelt ist und einen solchen Schock erlitten hat, dass er von der Schlägerei, die er angeblich mit dem Bierlieferanten angefangen und die diesen zwei Zähne gekostet hat, hinterher nichts mehr wusste. Ein Fahrradlamperl, sagt er seither kategorisch, tauge zwar dazu, von wildgewordenen Autofahrern gesehen zu werden, nicht aber zur Erkennung von verbotswidrig abgestellten Gegenständen, zumal wenn man nicht damit rechne.

Die Umzugswagen, die Anfang und Mitte jedes Monats in Schwabing einfallen, ignoriert er grummelnd, weil sie immerhin Menschen, die er sowieso nicht mag, fortschaffen. Als er jedoch am Samstag, ermüdet von vier Maß Bier und einem fruchtlosen Disput über die Kontingentierung japanischer Touristen, wiederum aus dem „Augustiner“ heimkommt und auf dem Bürgersteig vor dem Haus einen offensichtlich verlassenen Lieferwagen vorfindet, der es ihm unmöglich macht, sein Rad wie gewohnt in den Keller zu tragen, ist der Ofen aus.

Das sei ein Skandal, den er nicht dulden werde, sagt er zu seiner Frau, die nach einem Blick aus dem Fenster feststellt, es handle sich um einen Krankenwagen, da könne er nicht viel machen. Das könne er wohl, brüllt Herr Hammler und bescheidet seine Frau, die sagt, er solle Nachsicht üben, schließlich könne man nicht wissen, ob es sich nicht um die alte Frau Reibeis handle, die bei der ungewöhnlichen Aprilhitze mit ihren 95 Jahren schon am Dienstag beinahe einen Herzinfarkt erlitten habe. Einen Beinahe-Herzinfarkt gebe es nicht, die alte Reibeis sei bumperlgesund am Vormittag mit dem Eisenbahnzug zu einem Festgottesdienst ins Voralpenland aufgebrochen, wo sie die Nacht bei ihrer Enkeltochter verbringe, schreit Herr Hammler.

Dann stürmt er hinunter zu dem Auto, in dem nun ein Sanitäter sitzt und ins Funkgerät spricht. Er solle sofort Bürgersteig und Radweg freigeben, brüllt Herr Hammler. Wenn die Autofahrer derart handelten, habe er ansonsten alles Recht der Welt, herzugehen und sein Fahrrad mitten auf der Straße abzustellen. Er sei im Dienst, sagt der Mann, und diskutiere grundsätzlich nicht mit Besoffenen, sondern fahre sie höchstens in die Klinik in der Maistraße, wo sie alles Weitere mit dem Amtsarzt und der Polizei ausmachen könnten.

Als diese am Ort des Geschehens eintrifft, bedauert der Sanitäter seine harschen Äußerungen. Er habe nicht ahnen können, dass der alte Mann tatsächlich sein Fahrrad mitten auf die zum Glück nur sporadisch befahrene Straße stellen, es auch noch absperren, dann wegrennen und das Rettungsfahrzeug aus dem Fenster mit rohen Eiern bombardieren würde. Da Herr Hammler zumindest Letzteres ebenfalls bedauert und froh ist, dass der Sanitäter – der einräumen muss, nicht im Dienst gewesen zu sein, sondern nur auf seinen Kollegen gewartet zu haben, um die von diesem geholte Pizza gemeinsam zu verzehren – sein Fahrrad gerettet hat, lässt sich die Angelegenheit ohne weitere Maßnahmen gütlich beilegen.