Gewerkschaft hadert mit Affären

Wegen des Korruptionsskandals muss nun auch Siemens-Chef Kleinfeld um seinen Posten bangen. Beschädigt ist auch die IG Metall, da sich Betriebsräte kaufen ließen

HAMBURG taz ■ Im Skandal um schwarze Kassen bei Siemens gibt es nun auch Spekulationen über eine Ablösung des Vorstandschefs Klaus Kleinfeld. Heute tagt der Aufsichtsrat und wird über Kleinfelds Zukunft entscheiden. Der Fall Siemens trifft aber nicht nur die Manager schwer, sondern auch die Gewerkschaften.

Denn Siemens soll Millionen an die Arbeitnehmervertretung AUB gezahlt haben – und sie als unternehmensnahe Konkurrentin zur IG Metall aufgebaut haben. Die IG Metall hat nicht reagiert, wie zuvor bei VW auch nicht. Zur Erinnerung: Lustreisen, flotte Flüge und verdeckte Deals aller Art. Im VW-Skandal wird 2006 eine Beschuldigung nach der anderen erhoben.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird Europas größter Autobauer erschüttert. Erschüttert wird zugleich die IG Metall. Ihr Chef des Gesamtbetriebsrats bei VW, Klaus Volkert, tritt im Juni offiziell aus Altersgründen zurück. Später räumt der Betriebsrat ein, dass der Rückzug aufgrund der Schmiergeldaf- färe vorgezogen wurde. Dem langjährigen Betriebsratsboss wird vorgeworfen, Reisen einer Freundin mit Firmengeld finanziert zu haben. Der Prozess steht noch aus. Der für Volkswagen zuständige IG-Metall-Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt will nichts gemerkt haben. Sprecher Uwe Stoffregen spricht „allenfalls von einem Einzelfall“, ansonsten gelte für Volkerts die Unschuldsvermutung. Dass die offensichtliche Korruption bei VW von der IG Metall heute noch übersehen wird, passt ins Bild. In den meisten Belegschaftsvertretungen fehlt ein „Controlling“. Und vom Kungeln zur Korruption sind die Übergänge fließend.

Gekungelt wurde auch bei Siemens. Offenkundig hat sich der Weltkonzern unter den Chefs Heinrich von Pierer und Kleinfeld eine Gruppe willfähriger Betriebsräte als „Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger“ (AUB) herangezogen. Doch der Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, stellte erst jetzt Strafanzeige gegen Siemens. Das Betriebsverfassungsgesetz verbietet im Paragrafen 119 die Behinderung und Begünstigung von Betriebsräten.

Inoffiziell heißt es, die IG Metall habe längst gemerkt, was gespielt wird und habe die Spaltergewerkschaft im Aufsichtsrat angeprangert. Dort soll der Korruptionsfall vom kapitalseitigen Aufsichtsratsvorsitzenden abgewürgt worden sein. AUB ist unter anderem bei Aldi, Ikea und Lufthansa vertreten. Gewerkschaften ahnen, wenn Räte aus dem Ruder laufen. Aber sie können sich gegen machtvolle Betriebsratsfürsten kaum durchsetzen.

Betriebsratsschmiere ist wie jede Wirtschaftskriminalität besonders schwer zu beweisen. „Die IG Metall ist keine Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft“, sagt ein Gewerkschafter in Süddeutschland. Die Bielefelder Kriminalistin Britta Bannenberg meint, das Schmieren von Betriebsräten liege „auf der Hand“. Die „Branche Korruption“ wachse rasant. Auch der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Hans See warnt: „Wirtschaftskriminalität wird generell praktiziert.“ Es werde nicht bei den zwei Fällen bleiben. HERMANNUS PFEIFFER

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