Her mit dem Superhelden

THEATER Marc Becker inszenierte in Oldenburg einen Klassiker der Komödie. Mit eingebautem Komödienretter zieht er sich dabei durchaus achtbar aus der Affäre

Marc Becker betont in seiner Inszenierung das Volksstückhafte, das er dann mit ein paar, gelegentlich selbstreferenziellen Gags ein Stückerl weiter dreht – und dann auch manchmal noch ein bisschen weiter

von Andreas Schnell

Tja, was soll man bloß schon wieder machen mit dem alten Schinken? Fraglos ist der „Tartuffe“ auf dem Theater eine der großen Komödien. Und so ganz hat sich seine Geschichte wohl noch nicht erledigt, in ihrer aufklärerischen Kritik an der Methode, sich ein wenig Trost durch die Religion zu verschaffen. Andererseits: Die Spitze ist der Story im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, weil zumindest das aufgeklärte Bürgertum heutzutage natürlich viel zu aufgeklärt ist, um sich im Bürger Orgon wiederzuerkennen, der sich von dem frömmelnden Betrüger Tartuffe wider alle Warnungen seitens seiner Familie ausnehmen lässt.

Den Oldenburger Hausautor und -regisseur Marc Becker jedenfalls scheint das Stück durchaus ein wenig ratlos gemacht zu haben. Zumindest traut er ihm, und das vielleicht mit Recht, keine rechte Sprengkraft mehr zu, sondern betont in seiner Inszenierung das Volksstückhafte, das er dann mit ein paar, gelegentlich selbstreferenziellen Gags ein Stückerl weiter dreht – und dann auch manchmal noch ein bisschen weiter.

In stilisierten, bonbonbunten Barockkostümen und mit wirklich ziemlich tollen Frisuren ausstaffiert, spielt das Ensemble die Geschichte, die sich hier nicht recht entscheiden mag zwischen krachsolider Komik und ein paar Regiehinweisen darauf, dass man sich natürlich auch völlig klar darüber ist, was man hier veranstaltet.

Da darf dann schon einmal Valère (Michael Pietsch, zähnebleckend und schön selbstverliebt) seine Mariane (von gewissem Liebreiz: Kristina Gorjanowa) darauf hinweisen, dass sie den Stuhl gerade fälschlicherweise auf die Markierung gestellt hat. Da bröckelt immer wieder die Tünche der ohnehin schlecht sitzenden Konvention, wenn die Kinder des Orgon in Straßenjargon verfallen. Einzig Marianes Zofe Dorine (überzeugend: Caroline Nagel) scheint in dem Irrenhaus den Verstand bewahrt zu haben.

Den Tartuffe selbst spielt Thomas Lichtenstein, der interessanterweise im Programmblatt fehlt, durchaus überzeugend als widerwärtigen Lustmolch. Anne Eversbusch als Orgons Frau, Gilbert Mieroph als Orgon, Eike Jon Ahrens als Sohn des Hauses, Thomas Birklein als Orgons Schwager Cléante und René Schack als Gerichtsvollzieher Loyal machen ihre Sache allesamt ordentlich. Und Anna Steffens spielt Orgons sittenstrenge Mutter mit zuckender Unterlippe und auch ganz witzig, aber leider nicht viel mehr.

Am Ende rettet statt eines Abgesandten des Königs (wie im Original) ein Kommissar (Jakob Rohde) den armen Orgon und seine Familie. Und zwar ein Kommissar, der auf dem Höhepunkt des Finales die Uniform ablegt und darunter ein hautenges Superheldenkostüm präsentiert, dessen Cape den Aufdruck trägt: „Komödienretter“.

Wobei das offenbar eher ein Notbehelf ist, wie Becker im Interview mit NWZ Online gestand. Der Komödienretter werde „das Publikum wohl unbefriedigt zurücklassen“, huldige aber der Komödie. Da hat er sich allerdings in seinem Publikum getäuscht. Dem gefällt‘s. Und damit ist natürlich der völlig legitime Zweck der Komödienklassiker am Stadttheater erfüllt.

■ nächste Vorstellung: Sonntag, 20 Uhr, Staatstheater Oldenburg, Kleines Haus