„Deutschland ist Schlusslicht“

BÜRGERRECHTE Wer hierzulande Skandale aufdecken will, genießt keinen rechtlichen Schutz

■ 65, ist zweiter Vorsitzender des Whistleblower-Netzwerks und Leiter des Dok-Zentrums ansTageslicht.de der HAW.

taz: Herr Ludwig, sehen Whistleblower anders aus als normale Menschen?

Johannes Ludwig: Äußerlich bestimmt nicht – innerlich ganz bestimmt, denn Whistleblower haben einen hohen Anspruch an sich. Sie beschäftigen sich sehr mit ihrem Gewissen. Deshalb reagieren sie auch sofort, wenn sie sehen, dass etwas falsch läuft.

Ist das ein Charaktertypus?

Diese Menschen haben eines gemeinsam: Verantwortungsbewusstsein und dass sie nicht nur an sich denken. Die Paradoxie der Situation besteht darin, dass sie etwas tun, das allen nützt, und dass sie dafür – zumindest in Deutschland – bestraft werden.

Ist es nicht schwierig, diesem Thema mit einer Fotoausstellung beikommen zu wollen?

Die Ausstellung besteht aus zwei Teilen: Jeweils einer kurzer Darstellung der Geschichte, um die es ging, und aus einem Foto, das versucht, die Situation des Whistleblowers einzufangen.

Das Thema Whistleblowing ist erst seit ein paar Jahren in der Öffentlichkeit präsent. Wie kommt das?

Whistleblowing gibt es schon lange. Durch Edward Snowden hat es einen Schub bekommen, weil er etwas getan hat, wo jedem einleuchtet: Aha, das ist Whistleblowing, weil jemand Informationen veröffentlicht, obwohl der, der sie verbergen will, damit nicht einverstanden ist.

Haben Whistleblower es in Deutschland schwerer als anderswo?

Ganz klar. In vielen Ländern der Welt gibt es entsprechende Schutzvorkehrungen: in Europa, den USA, Australien … Deutschland ist mit das Schlusslicht.

Was würde das für mich bedeuten, wenn ich Whistleblowing betreiben wollte?

In Deutschland bedeutet es, das man erst mal von der Institution, aus der heraus man das tut, sanktioniert wird und den Arbeitsplatz verliert. Danach sind Sie verbrannt und kriegen möglicherweise keinen Job mehr.

Wird das nicht durch das Arbeitsschutzrecht ausgeglichen?

In dieser Hinsicht versagt das Arbeitsschutzrecht total, weil die Arbeitsrechtssprechung nur den Betriebsfrieden im Blick hat.

Wie kommt es, dass Deutschland so zurückliegt?

Das hängt mit der Mentalität und der Geschichte zusammen. Durch die Erfahrung von mehreren Obrigkeitsstaaten hat sich in Deutschland eine Denke breit gemacht, die als Sperre dagegen wirkt, offen Kritik zu üben.INTERVIEW: KNÖ

Ausstellung „Whistleblower in Deutschland“ mit Eröffnungsvortrag von Johannes Ludwig: 18 Uhr, Bezirksamt Eimsbüttel