LPG: Papier kommt nicht mehr in die Tüte

Die Biosupermarktkette LPG verabschiedet sich von ihren Papiertütchen und setzt nun auf Plastik. Der Grund: Eine Kundin fühlte sich wegen des etwas höheren Gewichts der Papiertüten beim Kauf von Obst und Gemüse betrogen

Werner Schauerte versteht seine Kunden nicht mehr: „Leute gibt’s, das krieg ich nicht in den Kopf“, stöhnt der Geschäftsführer der Biosupermarktkette LPG. Nicht genug damit, dass die werten Kunden wöchentlich etwa 100 Einkaufskörbe aus den fünf Filialen klauen. Manche können sich sogar über das Gewicht einer ganz normalen Papiertüte erregen.

Eine Kundin habe sich beim Lebensmittelaufsichtsamt beschwert, berichtet Schauerte. Sie fühlte sich von der LPG betrogen, weil sie an der Kasse das Gewicht der grünen Papiertüte mitbezahlen müsse. Zwei bis drei Gramm kämen jeweils zusätzlich für die Verpackung auf die Waage, das Gewicht werde vom Preis aber nicht abgezogen.

Das Lebensmittelaufsichtsamt fand die Wiege-Praxis der LPG in Ordnung, schließlich dienten die klassischen grünen Papiertüten als Transportmittel. Den KundInnen steht es frei, ihr Obst und Gemüse ohne Tüte zu wiegen und erst hinterher einzupacken. „Seit 14 Jahren verwenden wir die Papiertüten und noch nie hat sich jemand beschwert“, sagt Schauerte. „98 Prozent der Kunden lassen erst wiegen und packen dann ein.“

Nicht so die beschwerdefreudige Kundin. Sie bestand auf ihrem Recht, das Tütengewicht an der Kasse abgezogen zu bekommen. Die Rechnerei sei aber eine Zumutung für das Verkaufspersonal, beschloss die LPG. Und schaffte die Tüten lieber gleich ab. „Wir benutzen jetzt Tara-befreite Plastiktüten ohne Eigengewicht“, sagt Schauerte. „Damit endlich Ruhe ist.“ Selbstverständlich seien die Plastiktüten vollständig biologisch abbaubar und kostenlos.

Frieden gibt es in den Bioläden trotzdem nicht. Denn jetzt beschweren sich massenweise KundInnen, die ihre alten Papiertüten wieder haben wollen. Die seien umweltfreundlicher, praktischer und hielten das Obst länger frisch, argumentieren sie. Schauerte kann es nicht mehr hören: „Wir bieten die verschiedensten Verpackungsmöglichkeiten: Kisten, dünne Plastiktüten, Stoffbeutel, kompostierbare Plastiktragetaschen. Da müsste doch für jeden was dabei sein.“

In der neuen LPG-Filiale am Senefelder Platz, die Anfang Mai öffnet, wird es die grünen Tüten nicht mehr geben. In Friedrichshain und Neukölln können Papiernostalgiker noch fündig werden. Dort sind Restbestände der grünen Tüten im Umlauf. Man kann Werner Schauerte nur wünschen, dass die betrugssensible Kundin nicht ausgerechnet dort ihre Äpfel kauft. Damit endlich Ruhe ist. NINA APIN