Höchstens ein Flüchchen

KRISE II Hannover verliert gegen den VfB Stuttgart 0:1 und wartet weiter auf den ersten Auswärtssieg

„Ein Punkt hätte uns gut getan und wäre verdient gewesen“

TAYFUN KORKUT, TRAINER HANNOVER 96

Fußballprofis tun sich nicht immer leicht damit, über die eigenen Befindlichkeiten zu sprechen oder ihr Tagwerk objektiv zu beleuchten. Leon Andreasen ist da eine erfrischende Ausnahme. Mit Kulturbeutel und Badetuch unter dem Arm stand der Mittelfeldspieler von Hannover 96 nach dem 0:1 (0:0) beim VfB Stuttgart in der Mixedzone und bezog Stellung. „Das Tor nehme ich auf meine Kappe. Ich war Schwab zugeordnet“, analysierte Andreasen die Szene, die ein Spiel entschieden hatte, in dem beide Teams überwiegend damit beschäftigt waren, Tore zu verhindern, anstatt zu kreieren.

Es war die 69. Minute, als Stuttgarts Christan Genter den Ball nach einer Ecke auf den zweiten Pfosten verlängerte und Innenverteidiger Schwab in seinem 134. Bundesligaspiel zum ersten Mal ins Tor traf. Eine Erlösung für die zuletzt deprimierten schwäbischen Seelen. Endlich sah man wieder glückliche Menschen, erleichterte Spieler und einen Trainer, der vor Freude mit den Fäusten den Rasen malträtierte.

Es war Stuttgarts Woche der Veränderungen. Am Mittwoch trennte sich der Club von Sportdirektor Fredi Bobic und gegen Hannover wagte Coach Armin Veh einen Wechsel des Torhüters und stellte Thorsten Kirschbaum statt Sven Ulreich in den Kasten. „Der Ulle ist ein feiner Kerl, aber ich bin ein Überzeugungstäter. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann mache ich es auch“, sagte Veh.

Ähnlich argumentierte auch sein Kollege Tayfun Korkut, der seine Formation im 4-1-4-1-System hatte spielen lassen. „Ich bin überzeugt von dieser Taktik. Ein Punkt hätte uns gut getan und wäre verdient gewesen“, sagte er. Köln und Hoffenheim waren mit einer vergleichbaren Variante beim VfB erfolgreich gewesen. Hannover ist das nicht gelungen, obwohl Hiroshi Kiyotake (21./78.) und Manuel Schmiedebach (42./64.) gute Einschussmöglichkeiten hatten. Letztlich profitierte der VfB von der Passivität der Hannoveraner. „Das sah von außen wahrscheinlich nicht mutig genug aus“, sagte Torhüter Ron-Robert Zieler. Stuttgarts Abwehrchef Antonio Rüdiger formulierte es prägnanter: „Man hat gemerkt, die wollten nicht.“

Deshalb gab Leon Andreasen auch noch den vorsichtigen Systemkritiker. „So zu spielen kostet sehr viel Kraft, und in der Vorbereitung haben wir zwei andere Systeme gespielt“, sagte Andreasen. Die Fakten geben ihm recht. Hannover wartet nicht nur auf den ersten Auswärtssieg, sondern auch noch auf das erste Tor in der Fremde. Dieses ungute Gefühl, auswärts sieglos zu sein, kennen die Niedersachsen noch aus der vergangenen Saison, als Trainer Mirko Slomka in der Winterpause gehen musste. Nach sechs Spieltagen kann man jedoch höchstens von einem Flüchchen reden.

Geärgert hat es Dirk Duffner aber schon, dass der Kontakt zur Tabellenspitze erst einmal abgerissen ist. Schließlich drängt es den Verein zurück ins internationale Geschäft. Der Sportdirektor verteidigte die Strategie des Trainers. „Spielst du defensiv und verlierst, wirst du immer kritisiert. Wenn wir die Chancen nutzen, gewinnst du das Spiel und die Aufstellung wäre clever gewesen“, sagte Duffner. Der Trainer schließt einen Systemwechsel nicht aus. „Ich werde analysieren und dann entscheiden, ob wir gegen die Bayern auch in dieser Grundordnung antreten“, sagte Korkut. ELKE RUTSCHMANN