Große Koalitionäre rüsten rhetorisch auf

Union und SPD überhäufen sich mit Vorwürfen. Kauder reagiert empört auf „Kriegsfall“-Drohungen von Kurt Beck: „Die SPD schadet Deutschland.“ Beck beschwert sich, die CDU halte sich nicht an Absprachen: „Das ist keine Art zusammenzuarbeiten“

VON LUKAS WALLRAFF
UND HANNES KOCH

Wie du mir, so ich dir: Die Union reagiert mit einer Mischung aus Empörung und gespieltem Mitleid auf die verbalen Angriffe der SPD. „Ganz offenkundig hat sie Probleme mit sich selbst“, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder gestern über die SPD. Mit ihrer „Kriegsrhetorik“ gehe die SPD aber zu weit, erklärte Kauder und schoss seinerseits zurück: „Die SPD schadet dem Land.“

Der sozialdemokratische Parteichef Kurt Beck hatte am Dienstag davor gewarnt, dass ein Beharren der Union auf der Abschaffung der Erbschaftssteuer zum „Casus Belli“, also Auslöser für einen Krieg, werden könne. Kauder entgegnete, Becks Äußerung sei inhaltlich unbegründet: „Wir haben klipp und klar erklärt, dass es eine Erbschaftssteuerregelung gibt. Punkt.“

Doch SPD-Fraktionschef Peter Struck kritisierte auch die Innen- und Familienpolitik der Union und warf Kanzlerin Angela Merkel mangelnde Führung vor. „Jeden Tag ein neuer Vorschlag von CDU und CSU“, sagte Struck zur Kinderbetreuung. Merkel habe „nicht die Kraft, die Finanzierungsfrage zu klären“.

Die SPD sei „in keiner einfachen Situation“, spottete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla mit Blick auf Umfragen, in denen die SPD mit 27 Prozent hinter der Union (34) liegt. Beck müsse aber klären, ob die SPD regieren oder „Opposition machen“ wolle. Beck reagierte mit neuen Vorwürfen. Unionspolitiker würden öffentlich Positionen vertreten, die Absprachen zwischen ihm und der Kanzlerin zuwiderliefen, so Beck: „Das ist keine Art zusammenzuarbeiten.“

Auch in der Regierungspressekonferenz, wo sonst die vertrauensvolle Zusammenarbeit in höchsten Tönen gepriesen wird, geriet die Harmonie aus dem Lot. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm musste sich fragen lassen, ob er nur noch für den „Unionsteil“ der Regierung rede, der Sprecher von Vizekanzler Müntefering hingegen für den „SPD-Teil“. Natürlich wies Wilhelm diesen Eindruck zurück. Dabei hatte er ihn selbst erweckt.

Wie sonst nicht üblich, hatte Wilhelm über die bevorstehende Abschaffung des Briefmonopols aus Sicht der Kanzlerin und der Union referiert, dann aber Münteferings Sprecher Giffeler gebeten, die SPD-Sicht darstellen. So stand das Zerwürfnis im Raum: Merkel will, dass die Post weitere Konkurrenz bekommt, Müntefering hat Bedenken gegen die schnelle Liberalisierung.

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