Der Mann der Tat

Seit seiner Haftentlassung 1999 ist es um Stefan Wisniewski still geworden. Verurteilt wurde der Schwarzwälder wegen der Beteiligung an der Schleyer-Entführung

FRANKFURT/MAIN taz ■ Stefan Wisniewski muss demnächst mit einer Vorladung der Bundesanwaltschaft rechnen. Während andere Ex-RAF-Mitglieder durch die Republik tingelten und Bücher schrieben, ist es um den 54-Jährigen in den vergangenen Jahren nach einigen Podiumsveranstaltungen in linken Szenezentren still geworden. 1999 war er nach 20 Jahren Haft – wegen des Mordes an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer zu zweimal Lebenslänglich verurteilt – aus dem Gefängnis in Aachen entlassen worden. Anschließend trat er einige Male zusammen mit dem einstigen Mitglied der Bewegung 2. Juni, Klaus Viehmann, auf und referierte über die Entstehung der militanten Linken in der Bundesrepublik: „Es wäre eine vergebene Chance, wenn nicht aus den Erfahrungen, den Konzeptionen, den Fehlentwicklungen und auch aus den kleinen Erfolgen der bewaffneten Gruppen gelernt würde.“

Wisniewski, 1953 in Klosterreichenbach im Schwarzwald geboren, galt in der RAF als ein Mann der Tat. Handwerkliches Geschick hatte er als Elektroinstallationslehrling und Maschinist zur See erworben. 1976 soll er bei der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ im Südjemen Karatekurse gegeben und den Umgang mit Waffen trainiert haben. Dies, so Boock vage, habe ihn als Todesschützen qualifiziert. Als endgültigen Auslöser für seine Radikalisierung nannte Wisniewski in einem taz-Interview 1997 den Tod des RAF-Häftlings Holger Meins. Aber schon vorher habe er während seiner Schiffsreisen „das Elend in der Dritten Welt kennen gelernt, wenn in afrikanischen Häfen ältere Männer an Bord kamen und im Tausch für Essensreste ihre Ehefrauen anboten. Wer sich da nicht schämt, sollte den Haifischen zum Fraß vorgeworfen werden.“

Nach seiner Verhaftung handelte er sich mit einer weniger drastischen Tat eine Zusatzstrafe ein. Er habe, sagte er, einem Bundesrichter „auf die Nase gehauen“. Andere Zeugen schildern ihn als „rabiat“. Er sei, als der Richter gerade die Akten studierte, über zwei Tische gesprungen und habe auf den Mann eingeschlagen. 1980 misslang ihm ein Ausbruchsversuch aus der Haftanstalt Frankenthal in Rheinland-Pfalz. Als er beim Versuch, das Gefängnis zu verlassen, entdeckt wurde, schlug er mit einem mit Batterien gefüllten Strumpf auf den Anstaltsleiter ein. 1981 beteiligte er sich zum ersten Mal an einem Hungerstreik. Als das Urteil am 4. Dezember 1981 in Düsseldorf fiel, gab er sich gelassen. Auf seinem T-Shirt stand: „Macht nichts“. In seinem Schlusswort verteidigte er die RAF: „Die Gewalt ist das letzte und äußerste Mittel, aber verdammt notwendig.“ Während seiner Haft trennte sich Wisniewski immer mehr von dieser Überzeugung: „Wir hätten sagen müssen, der bewaffnete Kampf, so wie er gelaufen ist, geht nicht.“ HEIDE PLATEN