Mädchen für einen Tag

Ballspiele und Tische schrubben: In einem Niendorfer Kindergarten versuchen sich drei Jungen als Erzieher. Der „Zukunftstag“ soll ihnen den typischen Frauen-Beruf schmackhaft machen

In Norddeutschland erlebten die Schülerinnen gestern den siebten bundesweiten Girls’ Day und lernten in Betrieben technische und naturwissenschaftliche Berufe kennen. Seit 2006 gibt es in Niedersachsen außerdem den „Zukunftstag für Mädchen und Jungen“, damit auch Jungen typische Frauenberufe kennenlernen. Johannes und Friedrich Lucke aus Winsen/Luhe haben ihren Zukunftstag bei der taz in Hamburg verbracht und für uns diesen Bericht recherchiert und geschrieben. KC

VON JOHANNES
UND FRIEDRICH LUCKE

Ein Mädchen als Chemie-Forscherin oder Automechanikerin, ein Junge als Krankenpfleger oder Telefonist: Das gibt es immer noch selten. Der „Zukunftstag für Mädchen und Jungen“ bietet seit einigen Jahren Jungen und Mädchen die Möglichkeit, einen Beruf auszuprobieren, der für ihr Geschlecht untypisch ist. So waren wir gestern im evangelischen Kindergarten der Verheißungskirche in Niendorf und haben da drei Jungen besucht, die den Beruf Erzieher ausprobierten: Lennart, Jonas und Robert.

In der Kindertagesstätte spielten die Jungen mit den Kindern Ballspiele und Fangen, bauten mit Bauklötzen und beaufsichtigten sie beim Versteckenspielen. Die Praktikanten mussten aber auch für das Mittagessen einkaufen gehen, Tische schrubben und sogar kleine Streitereien schlichten. Außerdem haben sie zusammen mit den Kindern Kräuter geschnibbelt und daraus einen Kuchen gemacht.

Die Elf- bis Zwölfjährigen nehmen zum ersten Mal am Zukunftstag teil. Sie haben sich den Kindergarten ausgesucht, da sie Kinder mögen und da sie am Sozialen Tag schon einmal in dem Niendorfer Kindergarten den Beruf ausprobiert hatten: Damals haben sie dort für Geld gearbeitet, das sie danach an Bedürftige spendeten.

Außerdem sind zwei von ihnen, Lennart und Jonas, auch in diesen Kindergarten gegangen. Deshalb kennen sie alle Erzieherinnen bis auf eine noch aus ihrer Kindergartenzeit. Insgesamt hat es ihnen im Kindergarten gut gefallen und sie sagten: „Es ist auf jeden Fall besser als Schule bis vier Uhr nachmittags!“

Trotzdem können sie sich Kindergärtner nicht als Beruf vorstellen. „Wenn Jungen groß werden, wollen sie eher richtige Männerberufe haben, zum Beispiel Banker oder Programmierer“, sagt Jonas. „Männer könnten als Erzieher arbeiten, aber das ist eigentlich eher ein Frauenjob“, ist er sich mit Lennart einig. Im Kindergarten müssten die Erzieherinnen auf so viele Dinge gleichzeitig achten, und Frauen seien besser im Multitasking. Jonas will später als Sportreporter von spannenden Wettkämpfen berichten. Sein Freund Lennart will Forscher werden und später Astronomie oder Chemie studieren.

Die Erzieher freuten sich gestern, dass es endlich wieder Jungen gab, die für diesen Job Interesse zeigten. Auch die Kindergartenkinder freuten sich, dass die Jugendlichen da waren. Jedoch bewarf ein kleiner Junge Robert mit Sand. Damit wurde der Hilfs-Erzieher noch selbst fertig. Aber als einige Kinder sich stritten und schließlich anfingen sich zu balgen, holte er doch lieber die richtigen Erzieherinnen zur Hilfe. „Die Kinder sind nett“, erzählt Robert – ab und zu kann er ihre Probleme aber nicht verstehen, zum Beispiel wenn ein Kind einem anderen die Schaufel wegnimmt und es damit zum Weinen bringt.

Gabriele Müller, eine der Erzieherinnen, freut sich sehr, dass es im Kindergarten gerade zum ersten Mal einen männlichen Praktikanten gibt, der eine Ausbildung zum Erzieher macht: „Das ist gut für die Kinder.“ Auch die Erzieherinnen spielen mit den Kindern Fußball – „Aber das ist einfach nicht dasselbe wie mit einem Mann“, erzählt Müller. Den Zukunftstag findet sie gut und sieht auch schon einen Erfolg: Jonas und Lennart wollen vielleicht ihr Schulpraktikum im Kindergarten machen.

Die Autoren sind 14 und zwölf Jahre alt und haben ihren Zukunftstag bei der taz verbracht.