DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Nur die Liebe zählt

WAS SAGT UNS DAS? Mit dem Besuch seiner Partnerin Francesca Pascale beim römischen GayVillage erfindet sich Berlusconi neu: als moderner Rechter

Als im Frühjahr beim taz.lab zu Europa die Dokumentarfilmer Gustav Hofer und Luca Ragazzi sowie die Schriftstellerin Veronica Raimo über ihr Heimatland Italien diskutierten, verging eine ganze Stunde, bis der Name des Bösen fiel: Berlusconi. Selten ist eine Figur des öffentlichen Lebens, über die von der Seite 1 bis zum Vermischten so ausgiebig und bis hin zu Details, die man gar nicht wissen wollte, geredet wurde, dermaßen gründlich aus den Nachrichten verschwunden. Was hat der Cavaliere in all der Zeit getan, außer im Altenheim Strafpflegedienst zu leisten?

Wir wissen es jetzt: Das Stehaufmännchen aus Arcore, das gestern 78 Jahre geworden ist, hat sich mal wieder neu erfunden – diesmal als junge aufgeweckte Frau, die mit einem Besuch beim GayVillage in Rom der LGBT-Gemeinde ihre Referenz erweist, für Homo-Ehe und das Recht auf Adoption eintritt und sich auch sonst ganz als moderne „gemäßigte Rechte“ outet. Ihr Name ist Francesca Pascale, 29, seit zwei Jahren mit Berlusconi verlobt.

Italienische Kritiker ihres Auftritts bei der Abschlussparty des zweimonatigen Festivals GayVillage im römischen Parco del Ninfeo fragen allerdings, welche Verdienste oder Qualifikationen Pascale habe – außer dass sie mit Berlusconi zu Bett gehe und mit ihm aufwache. Sieht man sich das Video ihres Auftritts, das die Zeitung il fatto quotidiano ins Netz gestellt hat, jedoch davon uneingenommen an, so muss man feststellen: Abgesehen von der Tatsache, dass die Pascale Selbstverständlichkeiten sagt, die im nördlicheren Europa kein Mikrofon vor ihren Mund locken würden, hat sie alles, was auch Silvio in jüngeren Jahren auszeichnete: Witz, Energie und diese unverschämte Art zu gestehen, dass man sich über die miesen, schwulenfeindlichen Witze, die die Karriere ihres Boyfriends begleiteten, ja gern aufregen könne – aber heute sei eben eine andere Zeit, und eigentlich sei Berlusconi immer ein Liberaler gewesen: verliebt in die Liebe eben, wo immer sie hinfalle. Den klaren Entschluss, was sie mal werden wolle, hat Francesca Pascale übrigens schon mit 17 gefasst: Politiker. AW