Proteste drücken Börsenkurs

HONGKONG Die Blockade des Finanzviertels durch Zehntausende Demokratieaktivisten legt die ganze Innenstadt lahm. Chinas Regierung warnt vor ausländischer Einmischung

„Aus Occupy Central ist Occupy Hongkong geworden“

AKTIVIST PER TWITTER

AUS PEKING FELIX LEE

Ausnahmsweise eine Occupy-Aktion, die direkt etwas bewirkt: Ursprünglich eine Erfindung von New Yorker Aktivisten, um gegen das Gebaren der Banken im Zuge der Finanzkrise zu protestieren, hat eine Hongkonger Demokratie-Initiative diese Protestform übernommen und droht seit Jahresbeginn damit, das Finanzviertel zu besetzen. Seit dem frühen Sonntagmorgen hat die Gruppe ihre Drohung wahr gemacht. Zehntausende sind seitdem dem Aufruf gefolgt.

Doch während Occupy Wall Street selbst zu ihren Hochzeiten 2011 nicht einen Tag den Kursverlauf der New Yorker Börse beeinflussen konnte, erwägt Hongkongs Börse gar, den Handel auszusetzen, falls die Kurse in den nächsten Tagen angesichts der Blockaden weiter fallen sollten. Hongkongs wichtigster Börsen-Index Hang-Seng fiel am Montag um fast 2 Prozent. Auch den Hongkong-Dollar belasten die Proteste. Er stürzte zum US-Dollar mit 7,76 auf den tiefsten Stand seit sechs Monaten.

Die Massenproteste für freie Wahlen und mehr Demokratie in der südchinesischen Sonderverwaltungszone legten am Montag aber nicht nur das Finanzviertel lahm. Gleich in mehreren Stadtteilen versammelten sich jeweils Tausende Aktivisten und blockierten Kreuzungen. Zahlreiche Schulen, Geschäfte und Banken blieben in den Hauptgeschäftsvierteln Causeway Bay auf der Insel Hongkong und Mongkok auf der Halbinsel Kowloon geschlossen.

Nach Angaben der Verkehrsbehörde konnten am Montag insgesamt 200 Buslinien nicht fahren. Auch die U-Bahn konnte an mehreren Stationen nicht halten. Am Hafen in der Hongkonger Innenstadt formierte sich gegen Mittag ebenfalls der Protest. „Aus Occupy Central ist Occupy Hongkong geworden“, twitterte ein Aktivist stolz.

Viele der Demonstranten im Finanzviertel harren seit dem frühen Sonntagmorgen aus, nachdem der Initiator und Sprecher der Aktion Occupy Central, Benny Tai, zur Blockade aufgerufen hatte. Spezielle Einheiten der Bereitschaftspolizei waren am Sonntagabend mit Pfefferspray, Tränengas und Gummiknüppel gegen die mehreren zehntausend Demonstranten vorgegangen. Die Polizei sprach später von 38 Verletzten und insgesamt 78 Festnahmen. Weil am Sonntag viele Demonstranten mit Regenschirmen unterwegs waren, um sich vor dem Tränengas zu schützen, heißt der Protest schon „Regenschirm-Revolution“.

Hongkongs unbeliebter Regierungschef Leung Chun-Ying forderte die Demonstranten am Montag auf, nach Hause zu gehen. „Wir wollen kein Chaos in Hongkong“, sagte er. Gerüchte, dass er die chinesische Volksbefreiungsarmee um Hilfe gebeten habe, wies er entschieden zurück. Die chinesische Führung in Peking warnte ausländische Regierungen vor einer Einmischung in Hongkong. Sie bezeichnete Occupy Central als eine „illegale Bewegung“. Jeglicher Versuch von außen, sie zu unterstützen, werde vehement bekämpft, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums.

Die Demokratieaktivisten wollen sich von solchen Äußerungen nicht abschrecken lassen. Sie mobilisieren für Mittwoch, dem chinesischen Nationalfeiertag, zur nächsten Großdemonstration.

Nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ gibt es in der Sonderverwaltungszone Hongkong zwar Meinungsfreiheit. Doch ihren Regierungschef dürfen die Menschen der früheren britischen Kronkolonie nicht frei wählen, er wird von Chinas Führung bestimmt. Peking hatte eine direkte Wahl ab 2017 zugesagt. Doch Chinas Führung will jetzt nur ihr genehme Kandidaten zur Wahl stellen und hat deren Zahl auf maximal drei beschränkt.