Neuer Börsenrekord an der Wall Street

Der Dow-Jones-Index klettert über 13.000 Punkte. Aber trägt die US-Wirtschaft solch einen Börsenboom auch?

BERLIN taz ■ Jubel an der Wall Street: Zum ersten Mal in seiner Geschichte ist der Dow-Jones-Aktienindex am Mittwoch über die Marke von 13.000 Punkte geklettert. Allein in diesem Monat hat er 6 Prozent zugelegt. Doch die Sorge wächst, dass es so nicht weitergeht. „Der Markt trotzt einer Menge negativer Faktoren wie den hohen Ölpreisen, dem schwachen Dollar und den Konjunkturdaten, die auf eher mäßiges Wachstum hindeuten“, meint Peter Cardillo von der US-Vermögensverwaltung Avalon.

Dass der Onlinebuchhändler Amazon.com seinen Quartalsgewinn mal eben verdoppelte und einen äußerst optimistischen Ausblick gab, war ein wesentlicher Auslöser der Kursrallye.

Weniger Anlass für Optimismus gibt eine nähere Betrachtung der anderen Protagonisten. Die Aktien von Alcoa legten zu, weil der Aluminiumkonzern den Verkauf zweier Sparten erwägt. Der Computerhersteller IBM treibt seinen Kurs dadurch in die Höhe, dass er seine eigenen Aktien zurückkauft und so die Nachfrage künstlich erhöht. Die Papiere von US-Banken stiegen vor allem wegen des Bieterwettstreits um die niederländische Bank ABN Amro. In all diesen Fällen könnte das Kursfeuerwerk schnell erlöschen. Schließlich kann man ein Unternehmen nur einmal übernehmen, zerlegen oder verkaufen, auch Aktienrückkäufe stoßen an Grenzen.

Was in der allgemeinen Freude völlig unterging, war der neueste Konjunkturbericht der US-Notenbank Fed. In ihrem sogenannten Beige Book sprechen die Notenbanker von allenfalls „bescheidener oder moderater Expansion“. Was als „moderat“ gilt, ist dabei allerdings relativ: Während in Deutschland eine Prognose von 2,3 Prozent für 2007 für Euphorie sorgt, ist man in den USA jährliche Zuwachsraten von weit über 3 Prozent gewöhnt. Heute werden die Zahlen des ersten Quartals veröffentlicht. Beobachter gehen von einer Wachstumsrate deutlich unter 2,5 Prozent aus.

Eine solche Wachstumsabschwächung könnte die Fed dann allerdings zur Senkung ihrer Leitzinsen veranlassen. Für Börsianer gut: Niedrigere Zinsen geben der Wirtschaft und mehr noch der Börse Schwung.

Entscheidender ist, dass die Fed erneut vor der wohl größten Gefahr für die US-Wirtschaft warnt: Die Lage am Immobilienmarkt habe sich weiter verschlechtert. Das hat zwei Folgen: schrumpfende Umsätze in der Baubranche und ihren Zulieferern – und wachsende Probleme in der Hypothekenbranche. Plötzlich geraten immer mehr US-Amerikaner in Schwierigkeiten, die im Vertrauen auf weiter steigende Hauspreise hohe Hypotheken aufgenommen hatten. Plötzlich steigen die Preise nicht mehr, aber zugleich haben die Schuldzinsen stark angezogen. Erste Baufinanzierer wurden schon durch faule Kredite ruiniert. Und die Hausbesitzer können nicht länger durch immer neue Hypotheken den Konsum finanzieren, der die US-Konjunktur bislang trägt.

Einen Lichtblick liefert dagegen die steigende Nachfrage nach Investitionsgütern, ein Indikator für mehr Investitionen. Auch wenn die Wirtschaft in den USA in erster Linie vom privaten Konsum oftmals importierter Güter abhängt und nicht von der industriellen Produktion, könnte das Land so doch noch mal an der Rezession vorbeischrappen.

NICOLA LIEBERT