Kurnaz Gewinner der Bundestagswahl

Rückkehr 2006 aus politischen Gründen. Zeuge sagt: Freilassungsangebot bereits 2002

BERLIN taz ■ Der Staatssekretär im Justizministerium, Lutz Diwell, hat deutlich gemacht, dass die Rückkehr von Murat Kurnaz aus Guantánamo nach Bremen 2006 vor allem aus politischen Gründen möglich wurde. Neue Erkenntnisse zur Gefährlichkeit des Deutschtürken gab es nicht.

Zur Erklärung, wie Kurnaz nach 5 Jahren Haft nach Hause kam, sagte der SPD-Politiker vor dem Untersuchungsausschuss, nach der Wahl 2005 habe es eine „neue Regierung“ und „neue Gesprächskontakte“ mit den USA gegeben. Zudem sei nun „der humanitäre Gesichtspunkt in den Vordergrund gestellt“ worden. Rot-Grün hatte 2002 eine Einreisesperre verhängt. FDP-Obmann Max Stadler zog den Schluss: „Der größte Gewinner der Bundestagswahl war Herr Kurnaz.“

Diwells Vorgänger, Exstaatssekretär Hansjörg Geiger, sagte, es habe schon 2002 ein Freilassungsangebot aus den USA gegeben. Dieses sei aber an Bedingungen geknüpft worden, die als unerfüllbar galten. Kurnaz habe rund um die Uhr bewacht und als Spitzel in die Islamistenszene eingeschleust werden sollen. Im Kanzleramt sei entschieden worden, Kurnaz nicht einreisen zu lassen. Außenminister Steinmeier, der damals Kanzleramtschef war, hatte stets betont, es habe nie ein „belastbares“ und offizielles Angebot der USA gegeben.

Diwell bestätigte, dass er noch 2005 prüfen ließ, ob gerichtsverwertbare Erkenntnisse gegen Kurnaz vorlägen. Es gab keine. Ende 2005 urteilte ein Gericht, dass der Entzug von Kurnaz’ Aufenthaltsrecht rechtswidrig war.

Wie Diwell erwähnte, wurde das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) schon 2003 über den Fall Kurnaz und den Besuch von BND-Beamten in Guantánamo informiert. Der Grünen-Vertreter im PKG, Christian Ströbele, räumte ein, dass er danach nicht öffentlich aktiv wurde: „Außerhalb des Gremiums habe ich nichts unternommen.“ Um sein Verhalten zu erklären, müsste er berichten, was im PKG damals gesagt wurde. Dies dürfe er aber nicht, weil die Sitzungen streng geheim seien. „Es ist zum Kotzen“, sagte Ströbele über seine Schweigepflicht. LUKAS WALLRAFF