MITFAHRER
: Ohren und Augen

Kann man eigentlich Augenwürmer kriegen?

If you can just get your mind together / then come on across to me, singt Jimi Hendrix tief in meinen Ohren, wovon die anderen Leute in der U-Bahn dank Stöpseltechnologie nichts mitkriegen. Früher klebten ja diese Hinweise am Fenster, man solle den Walkman immer schön leise drehen. Wobei – altbacken, wie die BVG ist, hat sie die alte Platte kürzlich wieder aufgelegt bzw. -geklebt. We’ll hold hands and then / we’ll watch the sun rise / from the bottom of the sea.

Natürlich finde ich es völlig korrekt, dass man seine Mitmenschen akustisch schont. Gerade in der Großstadt. Die ganzen Ohrwürmer, die man sich hier holen kann! Letztens meldete sich irgendwo in meiner Nähe ein Smartphone mit einem vertrauten Bigband-Sound, dem ich weder Künstler noch Titel zuordnen konnte. Später half das Internet, mit einer Seite, auf der man Melodien per virtueller Tastatur anspielen und damit suchen kann. Es handelte sich um „Tijuana Taxi“ von Herb Alpert, was es natürlich nicht besser machte.

Neben mir blättert sich eine ältere Frau durch eine Deko-Zeitschrift. Neugierig, wie ich bin, muss ich mitlesen. „Jetzt wird es wieder kälter“ steht da – „macht nichts: Ziehen wir uns ins Innere zurück und erfreuen uns an Dingen, die auf originelle Weise Naturverbundenheit demonstrieren!“ Abgebildet sind Kerzenhalter aus kleinen Blumentöpfen, und in der Ritze zwischen Blumentopf und Kerze stecken Blaubeeren. Daneben ein Blumenstrauß in einem rosa lackierten Sektkübel. Kann man eigentlich Augenwürmer kriegen?

Am besten, ich schaue woandershin. Vorher muss ich mir nur noch schnell den Kopf über die Bedeutung des Wortes „herzeigen“ zerbrechen. Über dem Foto eines roten Filzsterns, auf dem ein Mistelzweig und ein weiß lackierter alter Schlüssel liegen, steht „Herzeigen, kuscheln, anlehnen, knuddeln“, und endlich kapiere ich, dass das ein Verb ist und kein Adjektiv. C. PRÖSSER