Kultur geht alle etwas an

ZUKUNFT Mit Wowereits Abgang wird der Posten des Kultursenators frei. Was dann, fragten die Grünen

„Es geht darum, eine Vision zu entwickeln für diese Stadt“

NELE HERTLING, KULTURMANAGERIN

Es war dann doch eine recht prunkvolle Werkstatt, in die die kulturpolitische Sprecherin der Grünen, Sabine Bangert, geladen hatte. Aber es passte natürlich, dass der dritte Akt der „Werkstattgespräche zur Reform der Kulturförderung“ im stuckverzierten Saal des Deutschen Theaters (DT) stattfand: Denn am Montagabend sollten die Mittel für die darstellenden Künste das Thema sein.

Dazu hatte sich die Grünen-Abgeordnete nicht weniger als 16 Gesprächspartner aus den Institutionen und Ensembles der Bereiche Tanz und Theater geholt, darunter etwa Ulrich Khuon, Intendant des DT, Franziska Werner, Leiterin der Sophiensæle, Annemie Vanackere, aktuelle HAU-Intendantin und mit Nele Hertling eine ihrer Vorgängerinnen. „Der Umstand, dass mit Wowereits Rücktritt zwangsläufig auch der Rücktritt des Kultursenators erfolgt“, so Sabine Bangert, sollte ein Thema sein. Die drei Kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters und damit auch des Kultursenators schätzte die Grünen-Politikerin als „kulturpolitisch nicht vorbelastet“ ein.

Hertling, Grand Dame des Berliner Theaters, sieht damit vor allem Kulturstaatssekretär Tim Renner in der Verantwortung: „Es geht darum, eine Vision zu entwickeln für diese Stadt“ – dies habe zuletzt völlig gefehlt. Erste Kritik an Renner wurde auch laut: HAU-Intendantin Vanackere meint, Renners Neudefinition von E und U – er arbeitet mit den Termini „Excellence“ und „Underground“ – sei „daneben“.

Eine Forderung seitens aller Kulturakteure wurde mehr als deutlich: Kulturpolitik müsse als Querschnittsaufgabe durch alle Ressorts hindurch verstanden werden. Dass Renner das Thema Liegenschaften oben auf der Agenda stehen habe, sei richtig, denn an Freiräumen und Räumlichkeiten für Tanz und Theater mangele es schließlich. Auch waren sich die meisten Anwesenden einig, dass der Bereich Tanz in Berlin zu kurz komme. Ralf Ollertz, künstlerischer Direktor der Halle Tanzbühne Berlin, sagte: „Es muss eine finanzierte große Bühne für den Tanz in Berlin geben, basta.“ Eine fixe Institution müsse her.

Das Verhältnis zwischen Freier Szene und Institutionen – „ein Gegeneinander-Ausspielen“ dürfe es nicht geben, so Khuon – war dann genauso Thema wie die verfehlten kulturpolitischen Ziele in der Frage der Mittel aus der City Tax. Dem Rückschlag und dem Affront des Senats – vermutlich wird Ende des Jahres nun gar kein Geld aus der erstmals erhobenen City Tax in die Freie Szene fließen – sei Resignation gefolgt, bemängelte Khuon. Auch Franziska Werner von den Sophiensælen meinte, man müsse bei der „City Tax dranbleiben“; das große Engagement der Szene dürfe nun nicht einfach verpuffen.

Der Kulturhaushalt beträgt im Jahr 2015 insgesamt 397,4 Millionen Euro, davon fließen rund 95 Prozent den kulturellen Institutionen der Stadt zu. Die Freie Szene bekommt etwa 12 Millionen Euro. Wie viel exakt in die einzelnen Institutionen der Bereiche Tanz und Theater fließt, ist auch deshalb schwer zu sagen, weil es neben der institutionellen Förderung viel Einzelprojektförderung gibt – und natürlich auch Kooperationen zwischen Freier Szene und den Institutionen stattfinden.

Aufgrund der vielen an diesem Abend vorgetragenen konkreten Forderungen – es ging auch noch um Zielvereinbarungen für Häuser und Ensembles und das Einrichten möglicher Fonds – wäre es förderlich gewesen, wenn auch Vertreter der Kulturverwaltung in der Runde gesessen hätten. JENS UTHOFF