Ein Meer von Finke

Spielerbeleidigungen, Polizei, Dementi: Aber eines ist bei Zweitligist SC Freiburg intakt – die Aufstiegschance

Das war wieder eine Woche, die es in sich hatte beim von Volker Finke trainierten Zweitligisten SC Freiburg. Zur Erinnerung: Der Vorstand hat Finke, 59, zum Saisonende gekündigt und bangt nun, ob er tatsächlich geht. Finke trainiert den SC 16 Jahre – darunter sämtliche 10, die der Club in der Bundesliga war. Stadt und Anhängerschaft sind in Pro- und Contra-Finke- bzw. Pro-und-Contra-Vorstand-Lager gespalten.

Wir notieren jedenfalls: Die erste Niederlage nach 13 Spielen (1:3 gegen Jena), im Stadion „ein Meer von lächelnden Finke-Konterfeis“ (SZ), Polizei-Einsatz gegen Shirtverkäufer der Initiative „Wir sind Finke“, Anhänger beleidigen Spieler beim Auslaufen, in der Folge ein Fast-Rücktritt des SC-Sicherheitsbeauftragten, der Vorstand muss die für eine außerordentliche Mitgliederversammlung nötige Zahl nach unten korrigieren usw. usf. Es ist ironisch oder bitter, aber das Einzige, was beim SC intakt scheint, ist die Aufstiegschance. Alle fünf Aufstiegsaspiranten (hinter dem designierten Bundesligisten KSC) haben am Wochenende Auswärtsspiele, der SC tritt morgen bei Kickers Offenbach an.

Selbst der Ältestenratsvorsitzende Jörg Weber hatte viel Arbeit, nachdem das zofforientierte Blatt Sport-Bild (Lieblingsschlagzeile: „Zoff in …“) verbreitet hatte, Finke habe dem Vorstand „gedroht“, dass Profis auch gingen, wenn er gehen müsse. Kein Stück wahr. „Es gab keine Drohung“, sagte Weber der taz. Allenfalls habe Finke „anklingen lassen, dass Spieler emotional an ihn gebunden sind“. Der Ältestenrat hat nicht viel Macht, aber er könnte – gegen den erklärten Willen des Vorstands – eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Macht er aber nicht, sondern hat „vollstes Vertrauen in dessen strategische Entscheidungen“. Und, sagt Weber: Sorge vor einer „gewaltigen Eskalation“.

Eine gab es im Stadion. Da waren die libanesischen Profis Roda Antar und Youssef Mohamad beim Auslaufen von 15 bis 20 Kunden aus der Nordkurve so lange und so schwer beleidigt worden (u. a. als „Hurensöhne“, deren Mütter man „ficke“), bis Antar an den Zaun ging und dann raufkletterte. Daraufhin zog die Polizei ihn wieder runter. Ein Hintergrund sind offenbar kontroverse Positionen in der Trainerfrage: Der harte Kern der Schmäher fordert seit Jahren das Ende der Finke-Jahre. Antar ist der Profi, der sich am offensivsten für Finke einsetzt.

„Wir sind dazwischengegangen, um eine Schlägerei oder Schlimmeres zu verhindern“, sagte Polizeisprecher Karl-Heinz Schmid auf Nachfrage der taz. Nach seiner ersten Stellungnahme war der falsche Eindruck entstanden, die Aggression sei von den Profis ausgegangen. Laut Vereinsmitteilung reagierten sie in der dritten Auslaufrunde auf „verbale Entgleisungen beschämender Art“ durch einen Teil der zahlenden Kundschaft. Die Entstehung der Situation habe die Polizei gar nicht beobachtet, sagt Schmid. Im Übrigen „hält sich die Polizei aus vereinsinternen Zwistigkeiten heraus“. Das heißt: Die Polizei ist weder pro noch contra Finke. Auch dann nicht, wenn sie, wie am Sonntag gerufen wird – von wem, auch darüber wird gestritten –, um den „Wir sind Finke“-Shirtverkauf der Finke-Unterstützer zu unterbinden. Man gehe „neutral“ vor, sagt Schmid. Offenbar muss man das in Freiburg in diesen Tagen extra betonen.

Der harte Kern der Schmäher ist seit Jahren bekannt, einige werden dem Fanklub Supporterscrew e. V. und der Ultraszene zugerechnet. Völlig zu Unrecht, wie deren 2. Vorstand Carsten Brehm der taz sagte. Gut, er habe einige „Finke raus“ und „Antar raus“-Rufe vernommen, aber sicher nicht von Supporters. Kann der Verein das Gegenteil beweisen, wird er reagieren.

Die Initiative „Wir sind Finke“ sieht derweil mittlerweile „die Mehrheit der Öffentlichkeit hinter sich“. Über 80 Prozent der nun nur noch 558 nötigen Anträge für den Versammlungs-Showdown seien da, zudem habe man nun „über 5.000 Unterschriften von Nichtmitgliedern“, sagt Sprecher Achim Trenkle, darunter Grass, Niedecken, Ex-Spieler Ramdane und zwei aktuelle SC-Sponsoren.

Der Ältestenrat hat übrigens versucht, Vorstand, Trainer, Manager Bornemann und einen „Schlichter“ an einen Tisch zu bringen – das scheiterte mangels Interesse. Seither schwant auch Jörg Weber: „Das wird kein Auseinandergehen in vollster Harmonie.“ PETER UNFRIED