Von Knautschzonen und Tierfutter

Vor allem die unterschiedlichen Richtlinien zu Umwelt- und Verbraucherschutz schaffen Handelshemmnisse

Normalerweise werden Handelsabkommen vom EU-Handelskommissar ausgehandelt. Doch die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft gilt in Brüssel als „Merkel-Territorium“. Umgesetzt wird sie daher von einem ihrer Vertrauten: Industriekommissar Günter Verheugen. Der ist zwar SPD-Mitglied, gilt aber als engagierter Kämpfer für europäische Wirtschaftsinteressen. Als Vorsitzender des „transatlantischen Rats“ soll er die Umsetzung des Rahmenabkommens überwachen. NF

BERLIN taz ■ Wenn Angela Merkel und George Bush am Montag die „Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft“ (TWP) auf den Weg bringen, dann werden sie von Grundwerten, Handelsvolumina und Wirtschaftswachstum reden. Doch entscheiden werden sie über Knautschzonen und Tierfutter.

Denn das Projekt TWP ist keine gewöhnliche Freihandelszone, in der die Partner untereinander ihre Zollschranken einreißen. Zwischen den USA und Europa sind die Zölle bereits so niedrig, dass das kaum noch etwas bewirken würde. Die wichtigsten Handelshemmnisse bestehen schlicht darin, dass es sich um zwei unterschiedliche Rechtsräume handelt. Bundestag oder Europaparlament haben in Sachen Umwelt- und Verbraucherschutz eben oft anders entschieden als der US-Kongress.

Die Exportwirtschaft kostet das Nebeneinander der Regeln Milliardenbeträge. So müssen die Autoentwickler bei DaimlerChrysler immer mindestens zwei Standards im Kopf haben. Etwa beim Seitenaufprallschutz: Um in der EU zugelassen zu werden, muss ein neues Auto den Aufprall einer leichten, 50 km/h schnellen Barriere zwischen Vorder- und Hintertür überstehen. In den USA kracht beim Crash-Test eine schwere Barriere mit 62 km/h auf beide Türen. Je nach Test muss das Fahrzeug anders konstruiert werden. „Das kostet uns viel Zeit und Geld bei der Entwicklung“, sagt Matthias Brock von DaimlerChrysler.

Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten, sich auf gemeinsame Standards zu einigen: Entweder man nimmt die US-Regeln oder die EU-Regeln oder man verhandelt ein Mittelding. Wahrscheinlicher ist jedoch eine vierte Lösung – die der „gegenseitigen Anerkennung“ von Standards. Für europäische Verbraucher heißt das: Was für die USA gut genug ist, das kann auch für Europa nicht schlecht sein. Unternehmen müssten dann nur noch die Standards im eigenen Land erfüllen. Die Experten der Deutsche Bank Research schreiben in einem Strategiepapier von Anfang April: „Ohne eine klare Orientierung an wechselseitiger Anerkennung wird es kaum Fortschritte geben.“

Doch während US-Standards für Seitenaufprallschutz oder Scheibenwischer keine großen Kontroversen in der EU auslösen dürften, ist die Lage umstrittener, wenn es um Umwelt und Gesundheit geht. In den USA ist es beispielsweise üblich, Hormone an Rinder zu verfüttern. Die werden dann schneller fett und geben noch mehr Milch. In Europa haben sich die Konsumenten bislang erfolgreich gegen die Hormonbeigaben gewehrt. Umweltschützer gehen davon aus, dass Resthormone ins Trinkwasser gelangen und so Tieren, Pflanzen und Menschen schaden können. Nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung müssten die Europäer auch amerikanisches Hormonfleisch in ihre Supermärkte lassen.

Reinhild Benning von der Umweltorganisation BUND fordert bereits: „Unsere hart erkämpften Standards dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden, nur um den Handel mit den USA noch weiter zu erleichtern.“

Doch nicht nur bestehende Vorschriften wären von der TWP betroffen. Auch viele neue Produktregeln, die für den Welthandel wichtig sind, müssten mit den USA abgestimmt werden. Umweltschützer wie Charly Poppe von Friends of the Earth International sind da skeptisch: „Ein weit reichendes Umweltgesetz wie die jüngst verabschiedete EU-Chemikalienverordnung Reach wäre mit US-Beteiligung wohl unmöglich.“NIKOLAI FICHTNER