Arme Schüler, arme Schulen

BILDUNG Im Armutsausschuss ging es am Mittwoch um Maßnahmen des Bildungsressorts. LehrerInnen berichten von Problemen aus der Praxis

Dass die Ressourcen-Bemessung nach den Sozialindikatoren nicht optimal läuft, weiß auch Detlev von Lührte aus dem Bildungsressort

In der Theorie, oder vom Schreibtisch des Bildungsressorts aus betrachtet, sieht es nicht rosig, aber doch positiv aus: Um dem Zusammenhang von Armut und geringeren Bildungschancen entgegenzuwirken, sei schon einiges passiert, sagt Detlev von Lührte, Abteilungsleiter für Bildung im Senatsressort. Den Kreislauf von Armut und niedrigem Bildungsniveau zu durchbrechen sei dort seit dem Pisa-Shock ein Schwerpunkt. Von Lührte war am Mittwoch vor den Armutsausschuss geladen, um die Arbeit des Ressorts im Hinblick auf Armutsbekämpfung vorzustellen.

Wie es in der Praxis läuft, erklärte später Maresi Lassek, Leiterin der Schule am Pfälzer Weg, die mit ihrem notenfreien und jahrgangsübergreifenden Grundschulkonzept in Tenever als Vorbild gilt.

Von Lührte nannte die Veränderungen in den Schulstrukturen als Schritte in die richtige Richtung, also Ganztagsschulen, Oberschulen, Inklusion. Im Kleinen steuere die Behörde auf Stadtteilebene nach, vor allem über die sogenannten Sozialidikatoren: Je nachdem, wie es sozial im Stadtteil aussehe, würde etwa die Klassengröße um bis zu drei Kinder reduziert, SozialarbeiterInnen oder mehr LehrerInnenstunden zugeteilt.

LehrerInnen wissen aus der Praxis dabei durchaus von Problemen zu berichten: Von Kindern, die ohne Stifte in die Schulen kommen, und ausbleibenden Exkursionen, weil die Eltern kein Geld haben. Oder zahlreichen Hausbesuchen in den Familien, die von LehrerInnen übernommen werden, weil diese durch die tägliche Begegnung einen besseren Draht zu den Eltern haben als die SozialarbeiterInnen. Dass die Ressourcen-Bemessung nach den Sozialindikatoren nicht optimal läuft, weiß auch von Lührte.

Ein Beispiel ist Huchting: Da gibt es idyllische Einfamilienhäusschen ebenso wie Wohnblock-Siedlungen. Kinder, die in die Schule an der Delfter Strasse oder die Robinsbalje gehen, unterscheiden sich tendenziell in ihrer sozialen Herkunft. Der ganze Stadtteil aber hat den gleichen Sozialindikator. Ebenso geht es der Gerhard-Rohlf-Schule, die im Einzugsbereich der Grohner Düne liegt. Zum gleichen Bemessungsgebiet des Sozialindikators gehört auch das reichere Lesum. Im Ressort arbeite man an einer Lösung, erklärte von Lührte. Noch aber besteht das Problem.

Linksfraktionschefin Kristina Vogt sah sich im Ausschuss durch die Ausführungen von Schulleiterin Lassek bestätigt: Im Laufe des Schuljahres würden die anfangs kleinen Klassen durch Zuzüge schnell anwachsen – in ärmeren Stadtteilen stärker als in reicheren. Ihre Fraktion fordert, LehrerInnen für sozialpräventive Tätigkeiten gezielt zu entlasten, indem sie zu weniger Unterricht verpflichtet würden.

Ob nun die Lösung doch in mehr SozialarbeiterInnen liegt – im Ausschuss herrscht Einigkeit, dass Sozial- und Bildungsressort bislang noch nicht optimal zusammenarbeiten. jpb