KONTROLLIERTE KONTROLLE: Polizeieinsatz
Zwei Polizisten durchsuchen einen Mann mit vermeintlichem Migrationshintergrund auf dem Bahnsteig der Friedrichstraße. Wir sind auf dem Heimweg von einer Veranstaltung, die für Zivilcourage Preise vergeben hatte, einige der Nominierten sind dabei, und stellen uns daneben. „Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen“, blafft der eine Polizist uns an. Wir antworten, dass wir eine rassistische Kontrolle vermuten. „Und wenn schon, was wollen Sie tun?“, fragt er uns. Der kontrollierte Mann versucht zu deeskalieren und sagt, das alles in Ordnung sei.
Wir steigen in die S-Bahn, am Hackeschen Markt hält sie länger als üblich. Wir warten, fünf Minuten, zehn Minuten, ohne Ansage, warum die S-Bahn nicht fährt. Dann geht es weiter. Am Alexanderplatz steht plötzlich die Bundespolizei in unserem Abteil. Vier Männer bauen sich vor uns auf: „Ihnen wird eine Straftat vorgeworfen.“ Wir verstehen nicht, was los ist, und müssen mitgehen.
Unter dem Fernsehturm warten zwei Busse auf uns. Neun Polizisten umringen die Gruppe, weitere sitzen in den Autos. Zwei von uns sollen den Beamten an der Friedrichstraße den Mittelfinger gezeigt haben. Es stehen die Aussagen der zwei jungen Polizisten gegen die neun Aussagen von uns. Als wir die Einsatznummern der Beteiligten einfordern, werden sie kleinlaut: „Ich habe gar nichts gesehen“, sagt der eine. „Die dürft ihr gar nicht haben“, sagt ein anderer. – „Doch dürfen wir“, sagen wir und bekommen sie auch alle vom Gruppenführer.
Auf dem Zettel, den die Polizisten uns mitgegeben haben, steht, dass die Straftat der Beleidigung bis zu 1.000 Euro kosten kann. Das ist nichts gegen die Kosten, die die beiden jammernden Beamten mit dem 50-minütigen Einsatz von zwölf Polizisten, Blaulichtfahrten durch die Stadt und einer angehaltenen S-Bahn verursacht haben.
SVENJA BEDNARCZYK
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