FELIX LEE ÜBER PROTEST UND ZENSUR IN HONGKONG
: Schon übergeschwappt

Manche Verhaltensweisen sind nur schwer auszumerzen. Aus Furcht, die bunten Bilder der Demokratie-Proteste in Hongkong könnten auch die Fantasie der Unzufriedenen in der Volksrepublik beflügeln, beschäftigen sich die chinesischen Zensoren seit Anfang der Woche vor allem damit, sämtliche Einträge aus den sozialen Netzwerken zu löschen, die auch nur entfernt Bezug nehmen auf Occupy oder Regenschirme. Den Bilderdienst Instagram haben die Zensoren komplett gesperrt.

Doch abgesehen davon, dass Millionen von Netzaktivisten Wege finden, die Bilder und Kurznachrichten aus Hongkong dennoch im chinesischen Netz zu streuen – die zentrale Botschaft ist auch in der Volksrepublik angekommen: Hongkong lässt sich die Bevormundung durch die Machthaber in Peking nicht länger gefallen.

Bislang sind die Hongkonger Demokratie-Aktivisten nicht einmal besonders radikal vorgegangen. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um brave Schüler und Studierende, die sich gegen den Pfefferspray- und Tränengaseinsatz mit nichts anderem gewehrt haben als mit erhobenen Händen und Regenschirmen. Doch genau diese Bilder sind zum Symbol der Hongkonger Demokratieproteste geworden.

Viel wird in den nächsten Tagen davon abhängen, wie Peking und die ihr unterstellte Hongkonger Obrigkeit mit dem Protest weiter umgehen werden. Lassen sie die Proteste laufen, könnte dies als Zeichen der Schwäche gesehen werden. Ein noch härteres Durchgreifen der Polizei könnte für Peking aber ebenso riskant werden.

So oder so – der Ruf nach mehr Demokratie in Hongkong steht schon jetzt stellvertretend für die Forderung nach einem grundlegenden politischen Wandel in ganz China. Diese Botschaft ist angekommen – trotz Zensur.

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