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: Richtig gut unter der Gürtellinie

„Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden“ (Kurt Tucholsky)

Wenn sich der Medienstaatsminister aktiv ins TV-Geschehen einmischt, ist immer Vorsicht geboten. Bernd Neumann (CDU) hat nun also an die „Verantwortlichen im Fernsehen“ appelliert, „nicht dazu beizutragen, dass die Verbrechen der RAF bagatellisiert werden“.

Was war passiert? Stefan Raab hatte in seiner Show „TV total“ auf ProSieben über Tage gegen die Konkurrenz von RTL gestichelt. Denn der Privatsender hindert mit Hinweis auf Exklusivverträge den ganz plötzlich bei der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ ausgeschieden gewordenen Publikumsliebling Max Buskohl daran, seine Celebrity-Werdung dann eben bei der anderen Privat-TV-Familie fortzusetzen.

Am Donnerstag toppte Raab die Kampagne im liebevoll mit „Weg mit den Knebelverträgen“-Schildern wedelnden Publikum mit einer Fotomontage, die den 18-jährigen Buskohl vor einem RAF-Stern mit RTL-Symbol und der Aufschrift „Seit 196 Tagen Gefangener von R.T.L.“ zeigt.

Die Optik entspricht der in diesen Tagen wieder zum Ikonen-Status zurückgekehrten RAF-Inszenierung mit dem Bild des entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer im Herbst vor 30 Jahren. Und die Familie Schleyer hat alles Recht, dies geschmacklos zu finden.

Eine Verhöhnung der RAF-Opfer, wie Bild am Wochenende unter Berufung auf zwei nachrangige CDU-PolitikerInnen titelte – war denn wirklich gar niemand anders zu einem Statement zu bewegen? –, eine Bagatellisierung der Verbrechen der RAF war es aber nicht. Man könnte sogar sagen: Stefan Raab war endlich einmal wieder richtig gut. Denn es geht weder um die RAF noch um ihre Opfer. Und natürlich ist das Ganze unterhalb der gesellschaftlich akzeptierten Anstands-Gürtellinie. Gerade das macht den Reiz aus – und verleiht der Aktion ihre subversive Kraft.

Kreative Werbeagenturen wissen das, Jung von Matt („Bild dir deine Meinung“) zum Beispiel. Auf www.bildblog.de oder unter adsoftheworld.com/media/print/bild_kidnapped? ist da eine Fingerübung der Agentur in Sachen Bild zu sehen, in der ein offenbar entführter, von einem Maschinengewehr bedrohter Mensch eine fiktive, weil englische Bild-Ausgabe in die Kamera hält – mit der Schlagzeile „Kidnapped!“ und sich selbst als Titelbild. Satire, dazu dann doch noch mal Tucholsky, darf am Ende eben: alles. STEFFEN GRIMBERG