DER WARNSTREIK DER IG METALL NÜTZT AUCH DEN ARBEITGEBERN
: Altes Ritual, neue Wirkung

Es gibt zwei Ankündigungen der IG Metall, die scheinbar im Widerspruch stehen. Die erste lautet: Es wird massive Warnstreiks geben. Die zweite lautet: Es muss ein schnelles Verhandlungsergebnis her – am 3. Mai bei der nächsten Runde. Der Widerspruch löst sich auf, wenn man die jetzt begonnenen Warnstreiks nicht als überkommenes Ritual, sondern als strategisches Mittel begreift, sowohl der Gewerkschaft als auch den Arbeitgebern den Weg für einen Kompromiss zu erleichtern. Denn die Warnstreiks nützen nicht nur der IG Metall, sondern auch dem Arbeitgeberverband.

Erstmals seit Jahren spielt sich die Tarifrunde 2007 unter veränderten Rahmenbedingungen ab. Schon die hohen Tarifabschlüsse in der Chemieindustrie (4,3 Prozent) und der Baubranche (3,5 Prozent) haben gezeigt: Die Gewerkschaften sind tarifpolitisch wieder in der Offensive. In der boomenden Metall- und Elektrobranche mit einer Auslastung der Betriebe von durchschnittlich 90 Prozent finden die Arbeitgeber mit Mahnungen nach Lohnzurückhaltung wohl kaum Gehör. Der Lohnkostenanteil zum Beispiel? Liegt ohnehin auf dem historischen Tiefstand von 16,5 Prozent. Diese Ausgangsposition wirkt aufseiten der IG Metall wie des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall nach innen. Die Klientel der Gewerkschaft ist nicht mehr so sehr mit der Angst des Arbeitsplatzverlustes beschäftigt wie in den vergangenen Jahren.

Als die IG Metall 2003 im Osten die 35-Stunden-Woche erstreiken wollte, ging das schlicht an den Sorgen der Beschäftigten vorbei. Der Streik scheiterte grandios. Heute ist die IG Metall zu Warnstreiks gezwungen, weil sie sich sonst von ihren Mitgliedern vorhalten lassen müsste, nicht genug aus der wirtschaftlichen Situation herausgeholt zu haben. Warnstreiks schaden auch nicht dem öffentlichen Ansehen – weil die Gewerkschaft mit einem schnellen Abschluss zeigen kann, dass sie den Arbeitskampf nicht übertreibt. Auch dem Arbeitgeberverband spielen die Warnstreiks in die Karten: Sie brauchen dieses Bedrohungsszenario, um einen Abschluss mit einer „Vier vor dem Komma“ gegenüber den Mitgliedsunternehmen rechtfertigen zu können. Insofern tragen die Warnstreiks sogar zur Sozialpartnerschaft bei. THILO KNOTT