Mit Bedauern und Bitternis

Die WM 2006 beendete Frankreichs Torhüter Fabien Barthez als nationale Ikone. Am vergangenen Sonntag ging seine Karriere ein zweites Mal zu Ende – mit einer Prügelei. Muss das sein? Es muss!

VON ARNO FRANK

Es war der glanzvolle Abschluss einer glänzenden Karriere. Fabien Barthez, berühmteste Glatze Frankreichs, hängte seine Torwarthandschuhe an den Nagel und verkündete: „Ich beginne jetzt ein neues Leben und möchte weiterhin viel Spaß haben – aber ohne Fußball“, den er ohnehin nicht der Atmosphäre, sondern des Gewinnens wegen betrieben habe. 1998 wurde er Weltmeister, 2000 Europameister, 2003 gewann er den Confederations Cup, seine zahllosen nationalen Erfolge in Frankreich (mit Olympique Marseille) und England (mit Manchester United) nicht eingerechnet.

Und auch an Spaß jenseits des Fußballplatzes, wo er zeitweilig ein recht schillerndes Leben an der Seite des Models Linda Evangelista geführt hatte, mangelte es dem 35-Jährigen tatsächlich selten. Und deshalb durfte man ihm glauben, wenn er in der französischen Sportzeitung L’Équipe schrieb: „Ich gehe ohne Bedauern und Bitternis. Dazu habe ich kein Recht, denn ich war immer ein Privilegierter.“ Fürderhin werde er sich „amüsieren und mich um meinen Sohn und meine Familie kümmern“.

So jedenfalls klang das, nachdem Fabien Barthez im Anschluss an das verlorene Finale der jüngsten Weltmeisterschaft, bei der er den Vorzug vor seinem Konkurrenten Grégory Coupet bekommen hatte, seinen Abschied vom Fußball erklärte. Allein es hat nicht sollen sein. Wenige Monate nach seinem Rücktritt trat er von seinem Rücktritt zurück – und stellte sich beim FC Nantes wieder zwischen die Pfosten, als ob nichts gewesen wäre. Neu ist es nicht, dass Sportler a. D. sich wie die Motten vom Flutlicht angezogen fühlen. Und manchmal geht das ja auch gut.

Nun aber ist kein Jahr vergangen, als sich Barthez am vergangenen Sonntag wieder in eigener Sache zu Wort meldete: „Ich fühle mich nicht mehr sicher und ziehe es vor, zu gehen.“

Da hatte Nantes, Tabellenletzter, gerade 0:2 gegen Rennes verloren. Schon während der Partie war Barthez hymnisch aufgepfiffen worden, anschließend stellten ihn aufgebrachte Fußballfreunde auf dem Parkplatz. Was dort geschah, beschriebt Clubpräsident Rudi Roussilon so: „Er wurde beleidigt, fünf oder sechs Personen traten gegen seinen Wagen“, was der Profi offenbar zum Anlass nahm, sich auf eine Prügelei mit einem betrunkenen Fan einzulassen. „Er ist traumatisiert“, so Roussilon, „so etwas hat er in seiner Karriere noch nicht erlebt“, und deswegen beendet er sie nun endgültig.

Wobei es ihn nur wenig trösten dürfte, dass er damit in einer unrühmlichen Tradition steht. Gerade Torhüter tun sich schwer damit, dem Stadion den Rücken zu kehren – und sie tun es meist skandalumwittert und ausgebuht. Es kann halt nicht jeder ein Sepp Maier sein.

In Deutschland wurden Toni Schumacher (wegen eines harmlosen Enthüllungsbüchleins) und Uli Stein (wegen schlechten Betragens) verabschiedet, der notorische Oliver Kahn bekam im Nationalteam gerade noch die Kurve, in München steht das noch bevor. Und dort erinnert man sich vielleicht auch noch an Jean-Marie Pfaff, in den Achtzigerjahren Keeper der Bayern und belgischer Nationaltorhüter. In Belgien, wo Pfaff sich und seine Familie in einer Real-Life-Doku-Soap à la „The Osbournes“ zu Markte trägt, ist er seit einem öffentlichen Tritt in den Hintern seines polnischen Gärtners seinen Status als Volksheld los. Rassismus und so. Verwundern darf es allerdings nicht, dass sich gerade die Nummer 1 oft als unbelehrbar und aggressiv erweist, auch nach dem Ende der Karriere. Im Strafraum muss der Torwart den Ton angeben, mit Gebrüll die Abwehr auf Trab halten und den Gegner abschrecken.

Hoher Blutdruck ist da nur ein Zeichen für eine „déformation professionelle“, wie sie für Keeper typisch ist und mit den Jahren gerne auch chronische Züge aufweist. Erste Symptome zeigte Barthez schon 2005, als er einen Schiedsrichter anspuckte, dafür sieben Monate gesperrt wurde und gemeinnützige Arbeit zu leisten hatte. Vielleicht hat Barthez aber auch nur auf eine passende Gelegenheit gewartet, so stilvoll wie sein ehemaliger Mannschaftskamerad abzutreten: Zinedine Zidane.