Der Blaue Umwelt-Engel im Jammertal

Das älteste deutsche Umweltsiegel stagniert. Es zeichnet 3.600 Produkte aus, vor allem in Baumärkten. In andere Branchen dringt es kaum vor. Damit das bekannte Zeichen nicht weiter an Bedeutung verliert, setzt die Jury auf eine Rundumerneuerung

VON KATHRIN BURGER

Seit dreißig Jahren begleitet der Blaue Engel den Konsumenten in Deutschland beim Einkauf. Laut Umweltbundesamt (UBA) kennen das Umweltsiegel 79 Prozent der Bundesbürger. Und trotzdem schreibt das Label keine Erfolgsgeschichte mehr. Seit Jahren stagniert die Zahl der Firmen, die ihre Produkte mit dem Blauen Engel kennzeichnen.

Das Siegel, das Kriterien für den Umwelt- und Verbraucherschutz festlegt, ist derzeit auf 3.600 Produkten zu finden. Vor zehn Jahren waren es nicht weniger. „Gespräche mit der Industrie haben jüngst ergeben, dass diese Zahl in Zukunft auch nicht steigt – sofern nichts aktiv getan wird“, so Volker Teichert, Vorsitzender der Jury Umweltzeichen, die die Vergabekriterien für das Siegel austüftelt.

Die Gründe für die Misere sind vielfältig. Etliche große Unternehmen nutzen das Zeichen nicht, weil sie Angst vor der Gleichmacherei der Billigmarken haben. In der Handysparte sieht man zudem nicht ein, warum ein Strahlungswert vorgeschrieben wird, der unter dem gesetzlichen SAR-Wert liegt. „Der SAR-Wert ist eindeutig. Jedes weitere Kennzeichen würde den Verbraucher verwirren,“ glaubt Susanne Burgdorf, Sprecherin von Sony Ericsson.

Der Blaue Engel schwächelt aber auch, weil er mit vielen anderen Siegeln konkurriert, etwa mit dem EU-Umweltzeichen, das eine Margerite als Symbol trägt. In manchen Branchen konnte sich der Blaue Engel gar nicht erst durchsetzen. So halten viele Verbraucher bei Textilien zumeist Ausschau nach dem Öko-Tex-Zeichen, das eine geringe Chemiebelastung verspricht. Der Gesundheitsaspekt wiegt hier mehr als der Gedanke an die Umwelt.

Der Blaue Engel ist ein umweltpolitisches Instrument, das Firmen auf freiwilliger Basis nutzen können. Die Jury Umweltzeichen, in der das UBA, Nichtregierungsorganisationen und Hersteller sitzen, legt Produktgruppen fest und verabschiedet die Kriterien, die von den Unternehmen einzuhalten sind. Das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL) kümmert sich um die praktische Abwicklung bei der Vergabe.

Dieses Verfahren soll nun geändert werden, schlägt ein neues Strategiepapier der Jury vor. So sollen vorbereitende Gespräche mit der Wirtschaft einen größeren Stellenwert erhalten. Wenn das Siegel auf neue Branchen ausgedehnt wird, muss es auch die entsprechenden Produkte dazu geben. „Immerhin steckt in den Blauer-Engel-Kriterien oftmals Arbeit von zwei bis drei Jahren,“ so Teichert, der in der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg arbeitet. Besonders kümmern will man sich in Zukunft um bestimmte Produktgruppen: Energiesparlampen, Passivhäuser, Fernsehgeräte. Genau das fordert auch Edda Müller, Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbz). „Die Jury sollte sich wieder mehr verbrauchernahen Produkten widmen.“

Die Euro-Blume ist in diesem Punkt schon etwas weiter. So gibt es etwa Sharp-Fernseher oder Reinigungsmittel der Firma Tana-Chemie mit dem EU-Umweltzeichen. Während der Blaue Engel fast nur in Baumärkten für den Verbraucher sichtbar ist. Darum sei es wichtig, die internationale Kooperation zu intensivieren, so Teichert.