Senat setzt Scheindialog fort

OLYMPIABEFRAGUNG TEIL 2

Enthusiasmus ist der entscheidende Punkt, um Bürger von Olympia zu überzeugen

So ähnlich würde man sich das dann vorstellen, im Jahr 2024 oder 2028: Ein feierfreudiges Volk pusht die Sportlerinnen und Sportler nach vorne, die über den Berliner Asphalt rennen, wie gesehen am vergangenen Wochenende beim Berlin-Marathon. Die Stimmung war wieder hervorragend. Für auswärtige Läufer ist das ein wichtiger Grund, hierher zu kommen.

Mit der Sportbegeisterung der Berliner argumentiert der Senat, wenn es um die Bewerbung für die Olympischen Spiele geht. Es gibt auch überhaupt keinen Grund, das zu bezweifeln: Mehr als 600.000 Berliner sind in Sportvereinen angemeldet, Tendenz steigend. Die großen Klubs der Stadt brechen reihenweise Dauerkarten-Rekorde.

Nur reicht Sportbegeisterung nicht im Mindesten aus, um ein kommerzielles Riesentamtam wie Olympia zu befürworten. Aber in Berlin würde der Senat ja nachhaltige und günstige Spiele durchsetzen, mag man einwenden. Allein: Weiß man’s? Abgesehen davon müsste man sich auch vergleichsweise billige Spiele, die 2,4 Milliarden Euro kosten sollen (und von denen das Land wohl die Hälfte tragen müsste), leisten wollen in einem Bundesland, das im letzten Haushalt gerade mal 32 Millionen für Schulsanierungen veranschlagt hat.

Bisher führt der Senat weiterhin einen Scheindialog mit den Bürgern. In einer in dieser Woche gestarteten zweiten Onlineumfrage will er sich Lob für sein Olympiakonzept abholen – umgeht aber wie im ersten „Stimmungstest“ Ende Juli alles, was unangenehm werden könnte. „Wie bewerten Sie die Idee, Wettkampfstätten nach Sportlerinnen und Sportlern zu benennen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden und/oder Widerstand gegen die Nationalsozialisten geleistet haben?“, lautet dort eine Frage. „Wie bewerten Sie den Ansatz klimaneutraler Spiele?“, eine andere. Was soll man da antworten, wenn man nicht gerade Neonazi oder Hobbyluftverschmutzer ist?

Welche Befürchtungen die Bewohner haben, welche Meinung man zu kommerziellen Großveranstaltungen hat, wie man das Internationale Olympische Komitee (IOC) einschätzt, welche Kritik man am Konzept hat? Weitgehend Fehlanzeige.

Dabei wäre umgekehrt der Sportenthusiasmus der entscheidende Punkt, um Bürger von Olympia zu überzeugen, und auch, um bescheidene Spiele für das IOC attraktiv zu machen. Das Ausblenden jeglicher Realität aber hilft dabei nicht weiter. JENS UTHOFF