Fragen bleiben

VON RALF SOTSCHECK

War es nun ein Erfolg im Kampf gegen den Terror oder haben die britischen Geheimdienste versagt? Am Montag sind fünf Studenten pakistanischer Herkunft zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie im Jahr 2004 eine Serie von Bombenanschlägen im Süden Englands geplant hatten. Premierminister Tony Blair sagte: „Eine sehr gefährliche Serie von Anschlägen ist verhindert worden. Viele Leben sind gerettet worden. Das ist ein Erfolg.“

Graham Foulkes ist dagegen der Meinung, dass die Geheimdienste versagt haben. Sein Sohn David ist einer der 56 Menschen, die bei den Londoner Anschlägen vom 7. Juli 2005 getötet wurden. Nach dem Urteil gegen die fünf Studenten ist vorgestern bekannt geworden, dass ihr Anführer Omar Khyam von der Polizei mehrmals bei Treffen mit zwei der Attentäter vom 7. Juli, Mohammad Siddique Khan und Shehzad Tanweer, beobachtet worden ist – und zwar 16 Monate vor den Attentaten. Die Polizei hat sie dabei belauscht, wie sie über Anschläge diskutierten. Dem Gericht war das seit Januar 2006 bekannt, doch Richter Michael Astill entschied, diese Information im Sinne eines fairen Prozesses bis zum Urteil zurückzuhalten.

Die Verwandten der Opfer der Londoner Bombenanschläge wollen nun wissen, warum die Polizei nichts gegen Khan und Tanweer unternommen hat. Jacqui Putnam, die bei den Anschlägen verletzt wurde, sagte: „Man hat uns erzählt, dass die Attentäter alleine gehandelt haben und dass sie der Polizei vorher völlig unbekannt waren. Jetzt hat sich herausgestellt, dass das nicht stimmt. Was hat man uns noch verheimlicht?“ Sie verlangt eine öffentliche Untersuchung.

Die lehnt Blair jedoch ab. Das würde Polizei und Geheimdienste nur von ihrem Kampf gegen den Terror ablenken. Jonathan Evans, der vorige Woche zum Generaldirektor des Geheimdienstes MI5 ernannt wurde, bestritt vorgestern, dass seine Leute nachlässig gewesen seien. „Meine Organisation hat einfach nicht die Kapazitäten, jeden zu untersuchen, der irgendwo am Rande einer Operation auftaucht“, sagte er.

Der Anti-Terrorismus-Chef der Metropolitan Police, Peter Clarke, sagte, weder Khan noch Tanweer seien in Khyams Anschlagsplanung verwickelt gewesen. Die Polizei hielt sie für Randfiguren. Deshalb habe man sie nicht weiter observiert. „Folge dieser Inkompetenz ist, dass mein Sohn getötet wurde“, sagte Foulkes. „Das ist wirklich himmelschreiend.“

Die Urteile gegen die fünf Studenten stützen sich auf Aussagen des Kronzeugen Mohammed Junaid Babar, der im Gegenzug Straffreiheit und eine neue Identität erhält. Es ist das erste Mal, dass ein Al-Qaida-Mann vor einem britischen Gericht gegen andere Mitglieder der Organisation ausgesagt hat. Babar gab zu, dass er und die fünf Angeklagten in einem Lager in Pakistan an Waffen ausgebildet worden seien – gemeinsam mit Khan, dem Anführer der Attentäter vom 7. Juli.

Babar ist 2004 in New York verhaftet worden. Seine Mutter arbeitete in einer Bank im World Trade Center und entging den Anschlägen vom 11. September 2001 nur knapp. Das FBI zwang ihn zur Kooperation. Andernfalls würde man die Beweise für seine Mordpläne gegen Pakistans Präsidenten Musharraf offen legen und ihn an Pakistan ausliefern. Dort hätte Babar das Todesurteil erwartet.