„Der Krieg kommt nach Tripolis“

LIBYEN Schwerste Nato-Luftangriffe in der Hauptstadt seit Beginn der Militärintervention Mitte März sollen Gaddafis Sturz befördern. Dazu kommen geplante Kampfhubschraubereinsätze auf Rebellenseite

TRIPOLIS/BRÜSSEL rtr/afp/taz | Die Nato-Luftangriffe auf strategische Ziele in Libyens Hauptstadt Tripolis werden immer heftiger. Die Angriffe am Dienstagabend seien die schwersten seit mehr als zwei Monaten gewesen, teilte das Militärbündnis am Mittwoch mit. Tripolis wurde spät am Abend innerhalb von zehn Minuten von sechs lauten Explosionen erschüttert. Bereits 24 Stunden zuvor hatte die Nato massiv Angriffe geflogen und dabei auch eine Wohnanlage von Gaddafi ins Visier genommen. Die Luftangriffe konzentrieren sich auf das Stadtviertel Bab al-Asisija, wo sich Gaddafis Residenz befindet und die Kasernen seiner Garde. Außerdem wurden nach libyschen Angaben Telekommunikationsanlagen in der Stadt Slaiten zerstört; Slaiten liegt zwischen der westlibyschen Rebellenhochburg Misurata und Tripolis und ist derzeit Ziel einer Offensive der aus Misurata vorrückenden Aufständischen.

Ein Nato-Verantwortlicher sagte, das Ziel der intensivierten Angriffe sei, dass „Gaddafi bis Ende Juni oder Anfang Juli fällt“. Parallel dazu planen Frankreich und möglicherweise auch Großbritannien jetzt erstmals auch die Entsendung von Kampfhubschraubern nach Libyen. Sie könnten im Tiefflug wertvolle Luftunterstützung für die Aufständischen bieten und sind auch psychologisch bedeutsam.

„Dies bedeutet einen Schritt nach oben auf der Eskalationsleiter, zusammen mit der Entsendung von Militärberatern und dem Einsatz von Drohnen bei den Angriffen auf Tripolis“, sagte Shashank Joshi vom Londoner Thinktank RUSI (Royal United Services Institute). „Es zeigt, dass Frankreich und Großbritannien sich zunehmend sorgen, der derzeitige Stillstand könnte sich unauflösbar verhärten. Sie haben eine reale Angst vor einer Situation wie bei der Flugverbotszone über Irak in den 1990er Jahren.“ Jetzt mache der Westen deutlich, dass er nicht nachlassen wolle. „Die psychologische Komponente ist wichtig, ebenso die Bombardierung von Tripolis. Bomben auf Tripolis bedeuten, dass der Krieg nach Tripolis kommt, und die Hubschrauber bedeuten, dass wir große Risiken eingehen.“ Eine schnelle Wende im Krieg sei nicht zu erwarten. „Die Nato ist sehr stark, aber nicht stark genug für den entscheidenden Schlag, also könnte dies bis in den Sommer weitergehen. Es gibt keine Deadline. Es gibt aber eine wachsende Besorgnis, dass sich dies hinziehen könnte.“