Vage Hoffnung auf ein Wunder

Vor dem Rückspiel im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Espanyol Barcelona wird an der Weser der großen Momente der Europacup-Geschichte Werder Bremens gedacht. Von der problematischen Gegenwart ist dagegen kaum die Rede

BREMEN taz ■ Immer wieder hat Thomas Schaaf dieser Tage die Trainingsspiele auf dem Areal am Osterdeich unterbrochen. Um sodann Ecken und Freistöße üben zu lassen. Dutzendfach machten sich die Protagonisten an die Ausführung ruhender Bälle, die scharf in die Mitte getreten wurden. Das Standardtraining hat Schaaf in Absprache mit seinem Co-Trainer Wolfgang Rolff vor dem heutigen Uefa-Cup-Halbfinale gegen Espanyol Barcelona (20.45 Uhr/Sat 1) angesetzt. „Wenn wir das Wunder schaffen wollen“, erklärt Rolff, „dann müssen wir mindestens ein Tor nach einer Standardsituation erzielen. So haben die Spanier gegen uns ja auch zwei ihrer drei Treffer erzielt.“

Der 47-Jährige spielt in der Vorbereitung auf das Rückspiel auch deshalb eine Schlüsselrolle, weil der Exnationalspieler Rolff in seiner aktiven Zeit miterlebt hat, wie ein 0:3 gegen Espanyol aufzuholen ist. 1988 war’s, als Bayer Leverkusen und der Mittelfeldspieler Rolff die verdutzten Katalanen überraschten. „Nach einer Stunde stand’s noch 0:0, dann kam der verletzte Herbert Waas ins Spiel, die Spanier wurden müde, wir haben drei Tore geschafft und das Elfmeterschießen gewonnen“, erinnert sich Rolff, der im Elfmeterschießen den dritten Leverkusener Strafstoß verwandelte.

Was einst in der BayArena glückte, soll nun im Weserstadion bewerkstelligt werden, auch wenn aus der aktuellen Espanyol-Entourage nur noch Torwarttrainer Thomas N’Kono und Trainer Ernesto Valverde (damals Ersatzspieler) dabei sind. Wäre ja auch nicht das erste Mal, dass Werder Bremen aus einer scheinbar hoffnungslosen Situation aufersteht. Dreimal drehten die Hanseaten bereits einen 3-Tore-Rückstand im Rückspiel: am 3. November 1987 gegen Spartak Moskau im Uefa-Cup-Achtelfinale (6:2 nach 1:4), am 11. Oktober gegen Dynamo Berlin im Europapokal der Landesmeister (5:0 nach 0:3) und am 7. Dezember 1999 im Uefa-Pokal gegen Olympique Lyon (4:0 nach 0:3). Alle Siege firmieren unter dem Begriff „Wunder von der Weser“. Gerne rechnet der gemeine Anhänger auch noch das 5:3 gegen den RSC Anderlecht (8. Dezember 1993) mit ein – schließlich stand es da nach 60 Minuten auch noch 0:3.

„Wenn wir totgesagt sind“, sagt Werders Fanbeauftragter Dieter Zeiffer, „macht uns das noch stärker.“ Zeiffer glaubt auch, dass das ganze Theater um Miroslav Klose die Anhängerschaft nicht von der bedingungslosen Unterstützung abhält: „Klose wird nicht ausgepfiffen: Die Fans hier wollen zuerst wieder ein Wunder.“ Noch heute erzählt man in den Kneipen im Ostertorviertel schließlich die Geschichte von Uli Borowka, der kurz vor dem Anpfiff aufgebracht an die Kabinentür des Stasi-Klubs Dynamo Berlin klopfte und schrie: „Kommt raus, wir machen euch fertig!“ Oder man erinnert sich an den dichten Nebel beim Spiel gegen Spartak Moskau, der nicht nur dem russischen Nationaltorhüter Rinat Dassajew den Durchblick erschwerte. In der Bremer Reminiszenz haben sich diese Europapokal-Ereignisse mittlerweile zum Mythos verklärt. Und doch taugten sie beim gewöhnlich stocknüchternen Fußballlehrer Schaaf schon in den Katakomben des Estadio Olimpic als Mutmacher. „Jetzt brauchen wir ein besonderes Spiel“, sagte Schaaf, „doch wir haben schon öfter gezeigt, dass wir in Bremen einiges bewegen können.“ Schaaf war 1987 und 1988 als Spieler (und Torschütze!) dabei, 1999 bereits als Cheftrainer. „Es ist noch nichts verloren“, beteuert Sportchef Klaus Allofs. „Gegen Ajax hätten wir zu Hause sieben Tore schießen können.“ Zumal Espanyol auf die gesperrten Walter Pandiani und Moises Hurtado, die Torschützen des Hinspiels, ebenso verzichten muss wie auf den verletzten Spielmacher Ivan de la Pena.

„Wir sind in jedem Heimspiel in der Lage, viele Tore zu schießen“, betont Rolff, „ein Gegentor dürfen wir nicht kriegen.“ Sonst wird es wohl nichts mit dem Wunder 2007.